Pioniergefühl

Hauptdarsteller Benito Bause über Deutschlands erste queere TV-Serie „All You Need“

Vom Schauspielhaus Zürich zur Hauptrolle in der ersten deutschen queeren TV-Serie – kein schlechter Karrieresprung für Benito Bause. Geboren 1991, aufgewachsen in Lüdenscheid und Hannover, studierte Benito Bause von 2013 bis 2017 an der Hochschule für Musik und Theater Felix Mendelssohn Bartholdy Leipzig Schauspiel und war bereits währenddessen am Neuen Theater Halle auf der Bühne zu erleben. Benito Bause ist Preisträger des Marina-Busse-Solopreises des Schauspielschultreffens deutschsprachiger Schauspielstudierender 2016 für seine Darstellung des Moritz Stiefel in „Frühlings Erwachen“. 2017 erhielt er den Theaterpreis des Freundeskreises des Neuen Theater Halle als Bester Schauspieler der Spielzeit 2016/2017 für seine Verkörperung des Salem in Rainer Werner Fassbinders „Angst essen Seele auf“. Sein erstes Festengagement führte ihn 2017 an das Schauspielhaus Zürich, wo er mit Barbara Frey, Bastian Kraft, Nikolaus Habjan, Jan Bosse und Christoph Marthaler arbeitete. Und nun also gibt er in „All You Need“ den attraktiven Vince, der so seine Probleme bekommt, als sein One-Night-Stand eine Beziehung möchte – von Homophobie und Rassismus im Alltag ganz zu schweigen.

 

Herr Bause, drei Jahrzehnte nach dem ersten schwulen Kuss in der „Lindenstraße“ folgt nun die erste queere Serie im deutschen Fernsehen. Wie fühlen Sie sich?
Ich fühle mich gut, dass ich bei dieser Serie dabei sein durfte. Zumal ich diese Rolle unglaublich spannend fand. Es geht bei „All You Need“ um Themen, die wirklich aktuell und wichtig sind. Und die viel zu wenig behandelt werden, gerade auch im öffentlich-rechtlichen Fernsehen. Insofern gibt einem das schon ein bisschen ein Pioniergefühl.

Der Sendeplatz ist nach Mitternacht oder in der Mediathek versteckt – schmälert das nicht das Pioniergefühl?
Man darf nicht vergessen, dass eine Online-Ausstrahlung auch viele Freiheiten mit sich bringt. Das betrifft nicht nur die Sprache, sondern auch die Länge der Serien. Die müssen nicht minutiös eingehalten werden, weil man kein Zeit-Korsett hat, wie es im linearen Fernsehen mit seinen Programmplätzen üblich ist. Das hat sich bei der Serie „Druck“ ja auch ganz gut bewährt.

Auch bei intimeren Szenen dürfte es mehr Freiheiten geben. Der Nachspann nennt eigens einen „Intimacy Coach“. Was genau macht so jemand?
Der Intimacy Coach bringt einen auf behutsame und kluge Weise an intime Szenen heran. Das kann um Sex gehen oder eben auch ums Küssen.

 

 

 

 

 


Seid ihr nicht schon alt genug, um selbst zu wissen, wie Küssen geht?

Das stimmt, aber dieser Intimacy Coach ist eben auch dabei, wenn man mit einem Kollegen nackt im Bett liegt. Solche Szenen werden mit einem kleinen Team gedreht, der Trainer vermittelt da ein sicheres Gefühl, weil er für alle Fragen immer zur Verfügung steht. Gleichzeitig betont er immer, dass solche Szenen eben gerade nicht perfekt sein müssen. Es geht nicht um die perfekte Sex-Szene, sondern um die Geschichte und die Figuren. Deswegen kann und soll es passieren, dass mir das Bein einschläft, weil der Partner zu lange draufliegt. Oder man küsst eine falsche Stelle und beide müssen lachen.

Wie angenehm ist die Erfahrung, alle Hüllen fallen zu lassen vor der Kamera und tausenden Zuschauern?
Die Beklemmung und Ängste waren da bei mir sehr gering. Als ich dann nur im Bademantel mit kalten Füßen am Set stand, war die Aufregung schon etwas größer – wobei das eher eine Art von Vorfreude war. Denn ich konnte mich auf ein sicheres, angstfreies Umfeld beim Dreh verlassen, das unser Regisseur Benjamin Gutsche wunderbar geschaffen hat.

Wie groß sind die Schnittmengen zu Ihrer Figur Vince? Haben Sie ähnliche Erfahrungen mit Rassismus im Alltag gemacht?
Um es mit der Rassismus-Expertin Tupoka Ogette zu sagen: „Rassismus ist die Norm und nicht die Ausnahme“. Was Vince im Film erzählt, habe ich teilweise ähnlich erlebt. Meine eigenen Erfahrungen durfte ich für die Figur auch einbringen, wofür der Regisseur sehr offen war. Zum Beispiel geht es mir immer so, dass ich bei der Zollkontrolle jedes Mal herausgezogen werde. Wenn ich meine Gitarre dabei habe, werde ich zu 99 Prozent kontrolliert.

„Es geht nicht um die perfekte Sex-Szene, sondern um die Geschichte und die Figuren“

Gewöhnt man sich daran?
Daran gewöhnt man sich nie. Man gewöhnt sich nur daran, damit umzugehen. Für mich heißt das, solche Dinge anzusprechen. Gleichzeitig gilt es abzuwägen, gegenüber wem ich so etwas anspreche. Wenn es, wie in der Kiosk-Szene, so ein „Hobby-Hitler“ ist, würde ich auf eine Reaktion besser verzichten. Das wäre Energieverlust und diesen Menschen wird man nie wieder sehen.

Man kann der Serie vorwerfen, dass die Figuren geradewegs einem Ralf-König-Comic entsprungen sein könnten. Wären weniger Klischees nicht glaubwürdiger?
Robbie, der Freund von Vince, ist doch ein recht bodenständiger Kerl. Eine heteronormative Gesellschaft würde ihn sicher als „ganz normal“ aufnehmen. Genau das wirft Vince ihm ja einmal vor: Er habe alles abgelegt, nur um nicht mehr aufzufallen und jedem Konflikt aus dem Wege zu gehen. Für mich ist das eine legitime Strategie – aber darüber lässt es sich gut streiten.

In der Serie werden Sie, ohne zu viel zu verraten, am Ende auch ins Wasser springen. Werden Sie aus dem Pool wieder herauskommen in der Fortsetzung?
Unbedingt, wenn es nach mir geht. Wir warten allerdings noch auf das offizielle grüne Licht der ARD.

Fotos ARD Degeto

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Dieter Osswald

Geschrieben von Dieter Osswald

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