Am 28. und 29. Dezember feiern die Comedian Harmonists in Concert im westand ihr 10-jähriges Bühnenjubiläum mit drei Shows an zwei Tagen. Wir hatten das große Glück, vorher mit Gründungsmitglied Götz van Ooyen über diesen besonderen Abend sprechen zu dürfen.
Eine der wohl prägendsten Musikergruppen der 20er Jahre des vorigen Jahrhunderts waren die Berliner Comedian Harmonists, die mit viel Charme und Gefühl sowie Sinn für Humor und herausragenden Stimmen innerhalb kürzester Zeit ganz Deutschland in Aufruhr versetzten. Götz van Ooyen und seine Kollegen machen es sich jetzt bereits seit zehn Jahren zur Aufgabe, die Magie dieses Ensembles wieder auf die Bühne zurückzuholen.
Wie kamt ihr auf die Idee, die Comedian Harmonists wieder aufleben zu lassen?
2005 waren wir für eine ganz normale Staatstheater Braunschweig Produktion engagiert. Da sind wir als Gruppe für eine Sommerproduktion zusammengestellt worden. Das war eben eine Auftragsarbeit. Aber einen Abend, der wirklich etwas erzählt, den mussten wir uns erstmal ausdenken. Und so haben Ralf Schurbohm und ich uns zusammengesetzt und uns überlegt, wie man die Geschichte der Comedian Harmonists von der Entstehung bis zur unfreiwilligen Auflösung sieben Jahre später erzählen kann, was ja wirklich ein sehr kurzer Zeitraum ist. Das Ganze sollte sowohl musikalisch als auch auf Textebene erzählt werden, sodass sich Lieder und gesprochener Text gegenseitig ergänzen, was schließlich in dem Abend mündete, den wir heute immer noch spielen. Man hört einfach ganz anders zu, wenn die Musik in die Geschichte eingearbeitet ist und die Leerstellen füllt, die ein gesprochener Text vielleicht hinterlässt.
Seid ihr alle hauptberuflich Sänger?
Nein, das ist ganz gemischt. Unser Pianist war Schauspielmusiker und ist seit Jahren freischaffend. Bei den Sängern haben wir alles dabei. Einen Kammersänger, Musical, einen Kollegen und mich, die hauptberuflich eigentlich Schauspieler sind… Und das ist auch das Tolle daran! Wenn man die Stimmen einzeln hört, merkt man genau, die kommen aus ganz unterschiedlichen Genres. Aber zusammen ergeben sie dann diese fünfstimmige Frühlingsprachtmischung, weil wir eben aus so völlig unterschiedlichen Backgrounds kommen.
Ihr spielt Euer Programm in ganz Deutschland und seid viel rumgekommen. Wo ist es schöner? In Braunschweig oder in Berlin? Oder ganz wo anders?
(lacht) Das ist wirklich schwer zu sagen! Also unser Konzept funktioniert so, dass es sich überall spielen lässt. Optimal ist allerdings ein Raum, in dem man gut Nähe erzeugen kann. Und das nicht nur akustisch, sondern auch über das Licht oder solche Sachen. Darüber hinaus ist es aber in Braunschweig natürlich besonders schön, weil es sich schon ein kleines Bisschen anfühlt wie ein Heimspiel. Meistens wissen die schon, wer da kommt und empfangen uns sehr warm und herzlich. Allerdings ist es auch sehr schön, in kleineren Orten zu spielen, die kein so breit gefächertes kulturelles Angebot haben. Die Leute da sind meistens sehr aufgeschlossen und haben total Bock, weil bei ihnen sonst nicht so viel los ist. Wenn dann mal was passiert, freuen die sich einfach!
Das Ende der 20er beziehungsweise der Anfang der 30er Jahre war sehr ereignisreich. Was genau fasziniert dich daran, in die Rolle einer Figur aus dieser Zeit zu schlüpfen?
Zum einen hatte ich schon immer einen Fable für die Musik dieser Zeit. Diese 20er-Jahre-Schlager, die sehr böse, blödelnd und frech waren. Das sind super Texte mit richtig guter Musik.
Darüber hinaus faszinieren mich einfach diese besagten sieben Jahre der Comedian Harmonists, in denen so unglaublich viel passiert ist. Das kann man sich kaum ausdenken. Die starten in der Weltwirtschaftskrise mit einer Idee, mit der sie entweder total auf die Schnauze fallen oder eben absolut durch die Decke gehen. Zum Glück ist dann zweiteres eingetreten. Die sind blutjung und starten auf einmal derartig durch, dass sie gar nicht so richtig wissen, wie ihnen geschieht. Was die da gemacht haben, war völliges Neuland. Das kannte man nur aus Amerika. Aber es funktionierte eben extrem gut! Sie wurden schlagartig erfolgreich, für etliche Konzertabende gebucht und haben das Geld zum Fenster rausgeschmissen. Die haben gelebt wie die Rolling Stones.
Und plötzlich haut da ein Nazi-Regime dazwischen und killt diese Truppe – killt ihre Idee – quasi über Nacht. Das muss ein unglaublich tragischer Moment gewesen sein. Was sie gemacht haben, war Freude in die Welt zu bringen und damit standen sie plötzlich einer Diktatur gegenüber, die nichts als Hass verbreitet hat. Das fand ich immer irrsinnig spannend.
Freut Ihr euch schon auf die Show im Westand?
Na klar! Ich bin im westand noch nicht aufgetreten und hab es auch noch nicht mit Musik erlebt, da bin ich sehr gespannt. Auch was sich in dem Raum für eine Atmosphäre erzeugen lässt. Wenn du irgendwo in einer Mehrzweck-Bürgerhaus-Halle in Dinkelsbühl singst, die so den 70er Jahre Brutal-Beton-Charme hat, ist das was völlig anderes, als in so einem schönen, bunten, glitzernden Spiegelzelt wie auf dem Eiermarkt. Beim westand freue ich mich sehr darauf zu sehen, was der Raum mit uns als Gruppe macht, weil das ganz entscheidend dafür ist, wie der Abend wird. Am besten ist es immer, wenn man es schafft, eine intime Stimmung zu erzeugen. Wenn man sich dem Publikum quasi musikalisch auf den Schoß setzen kann.
Welches war Euer liebstes Konzert, das ihr bisher gespielt habt?
Da kann ich jetzt gar keins konkret benennen. Besonders schön ist es immer dann, wenn man merkt, dass einen die Geschichte immer noch berührt. Wenn man einen Titel wie „Irgendwo auf der Welt gibt es ein kleines bisschen Glück“ singt und aufpassen muss, dass einem selbst nicht die Tränen kommen – das ist ein
Magic Moment.
Wie geht es weiter? Macht ihr noch zehn Jahre?
Das ist eine gute Frage! (lacht) Ich weiß es nicht. Wir sind natürlich mittlerweile auch in einem Alter, in dem wir nur noch eine Erinnerung an die Mittzwanziger sind. Ich lasse das mal auf mich zu kommen. Wir sind ja nicht dazu verpflichtet, das zu machen und es geht einfach so lange weiter, wie wir noch Bock drauf haben.
Was hörst Du privat für Musik?
Ich höre eigentlich fast nur noch Klassik und Jazz. Manchmal mache ich das Radio an und denke dann, oh, irgendwie ist der eine oder andere Titel ganz cool, aber ich bin zum Beispiel nicht so der Spotify-Hörer. Wenn man Kinder hat, reicht das als Geräuschkulisse für gewöhnlich aus. Da braucht man darüber hinaus nicht noch so viel Beschallung.
Was würdest Du jemandem mitgeben, der:die gerade am Beginn seiner:ihrer künstlerischen Karriere steht?
Mach nur das, was Dich selbst fasziniert und was Du selbst gut findest! Künstler werden nicht gesucht. Sie werden vielleicht gebraucht, aber auch nur dann, wenn sie machen, was ihnen selbst wichtig ist. Mach einfach dein Ding!
Fotos Volker Beinhorn, Carsten Dierks
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