Die nackte Wahrheit: Dave White

Kennt ihr eigentlich schon…

… Tänzer und Marken-Gründer Dave White?

Lange Zeit glaubte der gebürtige Wolfenbütteler Dave White, dass er neben seinem Hobby, dem Choreographieren und Lehren von Tanz, einen zukunftssicheren Job bräuchte. So kam es, dass der 34-jährige Halbjamaikaner jahrelang ein Doppelleben führte: Die kostbare Zeit zwischen dem Drei-Schicht-System bei einem regionalen Automobilhersteller investierte er mit viel Herzblut in seine große Leidenschaft. Die Gründung der Streetdance Crew Special Delivery 2005 sollte dabei den Grundstein für seine Traum-Karriere legen. Die Gruppe tingelte von Battles zu Meisterschaften, kämpfte 2010 als deutscher Streetdance-Vize-Meister um den Weltmeistertitel in Las Vegas, zeigte ihr außerordentliches Können bei der Europameisterschaft im Disneyland Paris und schaffte es 2013 sogar ins Halbfinale des Pro7-Formats „Got2Dance“. Nur zwei Jahre später folgte dann endlich die Kürung zum Deutschen Meister und Weltmeister. Doch 2018 wurde der kreative Drang des coolen Energiebündels schlussendlich zu groß, Dave schmiss seinen „normalen“ Job über Bord und setzte alles aufs Tanzen. Mit Erfolg: Neben seinem Tanzlehrer-Dasein ist der Sportler unter anderem auch Teil des Theaterstücks „Der Nussknacker – Klassik trifft auf Breakdance“ und Mitgründer der Tanz-Fitness-Marke Jamfya, die weihnachtliche Kilos dank schweißtreibender Dancehall-Classes im Nu purzeln lässt.

 

Dave, warum hast du dich tänzerisch dem Dancehall,
Hip-Hop und House verschrieben?

Beim Hip-Hop habe ich gern die Musik gehört und wollte wissen, wie man sich dazu bewegt. Dancehall wurde mir durch meine Herkunft in die Wiege gelegt und House hat mich seit dem ersten Workshop, den ich genommen habe,
einfach begeistert.

Warum ist Bewegung so wichtig für uns?
Stillstand ist Tod. Ich denke, man sollte immer in Bewegung bleiben und tanzend kann man seinen Bewegungen noch Ästhetik verleihen, seine Gefühle verarbeiten, andere inspirieren und berühren. Man tut etwas für seine mentale und
körperliche Gesundheit.

Wofür brauchst du am meisten Disziplin?
Hausarbeit kostet mich sehr viel Disziplin. Ich kann schon faul werden, wenn es darum geht, die Wäsche zu sortieren oder die Fenster zu putzen.

Wie merkst du dir all die Choreographien?
Die Choreographien sind meist auf bestimmte Musikstücke abgestimmt und wenn man eine Choreo oft genug auf einen Song geübt hat, tanzt es sich irgendwann von selbst. Das ist wie Malen nach Zahlen – eine Zahl eine Farbe,
ein Sound eine Bewegung.

Hast du also dadurch ein prima Gedächtnis?
Definitiv nicht! (lacht) Ich vergesse fast jeden Tag irgendwo Schlüssel, Handy oder Trinkflasche. Allerdings kann ich mir die Namen meiner Tanzschüler
meistens gut merken.

Was liegt dir neben Tanzen besonders gut?
Als gelernter Maler und Lackierer kann ich ganz gut tapezieren und streichen. Außerdem interessiere ich mich sehr für Videobearbeitung und Grafik-Design, da habe ich mir einiges beigebracht. Ich möchte aber noch sehr viel lernen. Ich lebe nach den Prinzipien „Always Student“ oder „KLUW“ –
konstant lernen und wachsen.

Du bist Teil des Urban Culture-Projekts der New Yorker Musischen Akademie. Was bewirkt das Projekt bei Kindern und Jugendlichen?
Urban Culture soll Kindern und Jugendlichen eine kreative Perspektive bieten. Ich bin dort Dozent im Bereich Streetdance und möchte dafür sorgen, dass meine Teilnehmer zu selbstständigen Tänzern werden, die lernen, sich selbst Choreographien auszudenken und anderen beizubringen. Das Selbstbewusstsein der Kids wird dadurch enorm gestärkt.

Wie sieht deine Morgenroutine aus?
Direkt nach dem Aufstehen trinke ich einen halben Liter Wasser, wasche mein Gesicht mit kaltem Wasser und mache etwas Sport. Entweder fahre ich ins Fitnessstudio, jogge eine kleine Runde oder mache zu Hause ein paar Übungen. Danach frühstücke ich mit meiner Freundin Vika und wir starten
zusammen in den Tag.

Woran erkennt man in deiner Wohnung, dass du darin lebst?
An den vielen Superheldenfiguren und Comics, die da rumstehen und am Musik-Equipment. Ich habe mir nämlich mit dem Preisgeld der Streetdance-Weltmeisterschat ein kleines Musikstudio gebaut. Und natürlich an den Fotos von Urlauben und Auftritten.

Sündigst du auch mal vorm TV?
Natürlich wird auch mal vor dem Fernseher gesnackt, ein Film oder eine Serie geguckt und Essen bestellt. Das ist mir auch enorm wichtig. Dadurch, dass ich fast jede Woche sieben Tage am Stück mehrere Stunden Sport mache und ständig auf den Beinen bin, brauche ich abends auch ab und zu eine kleine Auszeit. Meistens gibt es dann Pizza und einen Becher Ben & Jerry’s als Nachtisch. Das gibt es zum Glück beides in veganen Varianten.

Welche Ziele hast du dir fürs neue Jahr gesetzt?
Unser Tanz-Fitness-Programm Jamfya soll weiter ausgebaut und erfolgreich werden. Wir möchten Trainerausbildungen anbieten, sodass die Kurse auch in anderen Städten angeboten werden können. Ein Teil der Einnahmen soll an eine Schule auf Jamaika gespendet werden und am Ende des Jahres würden wir gerne nach Jamaika fliegen, um das Geld zu überreichen.

Was auf der Welt ist für dich unbezahlbar?
Ganz klar die Zeit mit Menschen, die man liebt. Das kann man nicht bezahlen.

 

Wie bist du zum Tanzen gekommen?
Ein wirkliches Schlüsselerlebnis gab es nicht. Ich habe als Kind einfach sehr gerne Hip-Hop-Musik gehört und mich in der kompletten Kultur zu Hause gefühlt. Ich habe zuerst die Musik gehört, dann selbst angefangen zu rappen, Beats zu machen und Graffitis zu malen und natürlich wollte ich auch wissen, wie man sich auf die Musik bewegt. Dadurch, dass mein Dad Jamaikaner ist, hab ich mich zusätzlich auch immer mit der jamaikanischen Kultur identifiziert. Da spielt Tanzen ja auch eine sehr große Rolle. Es ist also ganz natürlich dazu gekommen, dass ich tanze.

Warum fühlst du dich auf der Bühne wohl?
Weils es ein schönes Gefühl ist, Menschen mit dem zu begeistern, was man liebt. Ich liebe es, überall zu tanzen. Aber wenn man auf der Bühne steht, kann man dem Publikum Energie und Gefühl übermitteln und das Publikum kann dasselbe zurückgeben. Da kann es zu echt schönen Momenten kommen.

Wie gehst du mit Lampenfieber um?
Bevor es auf die Bühne geht, denke ich mir, dass ich dort nichts anderes mache als das, was ich eh jeden Tag den ganzen Tag über mache. Ich versuche einfach so gut es geht, vorbereitet zu sein und wenn ich dann auf der Bühne bin, gibt es nur noch die Musik und das Publikum und dann funktioniert alles fast von allein.

Was ist dein bislang größter Erfolg?
Das war die UDO Streetdance Weltmeisterschaft 2015 in Glasgow, Schottland, bei der wir den Titel in der höchsten Kategorie gewinnen konnten. Was weniger am Titel liegt, sondern an dem Weg dorthin. Wir waren mit unserer Crew Special Delivery erst zwei Wochen vorher in San Diego bei der WM vom Hip-Hop International, bei der wir den 18. Platz belegt hatten, obwohl wir dachten, wir hätten schon alles gegeben. Dann haben wir noch mal zwei Wochen durchtrainiert, um alles herauszuholen und wenn man dann sieht, dass sich das gelohnt hat, ist es ein unbeschreiblich gutes Gefühl.

Du hast mit deiner Partnerin Vika eine eigene Tanz-Fitness-Marke gegründet. Hat euch das Überwindung gekostet?
Ich bin schon sehr stolz darauf. Es ist ein schönes Gefühl, etwas Eigenes zu machen, womit man sich identifizieren kann. Alles an Jamfya ist selfmade und wir stehen zu 100 Prozent hinter dem Programm. Deshalb hat es nicht viel Überwindung gekostet, es zu einer Marke zu machen. Es war eher eine logische Konsequenz. Die einzige Überwindung war der Zeitpunkt, an dem wir das Ganze veröffentlichen. Während eines Lockdowns, wenn alle Fitnessstudios zu haben, ein Fitnessprogramm auf den Markt zu bringen, grenzt schon an Wahnsinn, aber wir wollten unsere Teilnehmer nicht hängenlassen und ihnen mit unseren Online-Kursen einen Ausgleich in dieser verrückten Zeit geben.

Gibt es einen Tanzstil, dem du nichts abgewinnen kannst?
Ich glaube, dass jeder Tanzstill seine Berechtigung hat und ich würde nie von oben herab über einen Tanzstil urteilen. Tanz an sich ist etwas Wundervolles, egal in welchem Stil.

Wie kann man sich besonders im Winter fit und motiviert halten?
Natürlich mit den Jamfya-Online-Kursen. Generell gibt es ein großes Angebot an Online-Workouts und ich glaube, wenn man erst einmal seinen inneren Schweinehund überwunden hat und im Wohnzimmer vor dem Bildschirm trainiert, kann man daraus sehr gut Motivation ziehen. Für den Trainer ist die Situation genauso komisch wie für die Teilnehmer, aber wenn man zusammen durch diese verrückte Zeit geht und das Beste daraus macht, pusht man sich gegenseitig und wird dadurch stärker und motivierter.

Auch wenn es bereits wissenschaftliche Belege gibt, schwirrt im Fitnesssport-Kosmos immer noch das Vorurteil herum, dass sich Veganismus und Leistungssport ausschließen. Was sagst du zu dem Klischee?
Also, ich bin jetzt seit fast vier Jahren vegan und kann mir keine andere Ernährungsweise mehr vorstellen. Alles, was man zu sich nimmt, verleiht einem Energie. Man hat nicht dieses träge Gefühl nach dem Essen und man regeneriert viel schneller nach dem Sport, hat weniger Muskelkater und ja, man bekommt auch genug Proteine. Deshalb halte ich das Klischee definitiv für falsch.

Musst du deine Energie auch mal im Zaum halten?
Die Frage hab ich mir ehrlich gesagt noch nie gestellt, weil ich nicht wüsste, wann ich wenig Energie bräuchte. Ich versuche alles, was ich tue, zu 100 Prozent zu machen und all meine Energie in das zu stecken, was mir gerade wichtig ist.

Was fällt dir heute leichter als noch zu Beginn deiner Karriere?
Ich hatte zu Beginn ein Riesenproblem damit, vor vielen Menschen frei zu sprechen. Solange ich mir etwas aufgeschrieben und auswendig gelernt habe, war das kein Ding, aber einfach frei zu sprechen war hart für mich. Das ist mittlerweile zwar noch nicht so, wie ich es gerne hätte, aber schon etwas leichter geworden.

Wie blickst du ins neue Jahr?
Ich freue mich drauf und hoffe, dass es ein bisschen weniger verrückt wird als das letzte Jahr. Jamfya ist erst am Anfang und wir haben einiges vor mit dem Programm. Aber dadurch, dass wir sozusagen in diese Krise hineingeboren wurden, habe ich keine Angst davor, dass wir nicht damit klarkommen werden, wenn es noch ein bisschen so weitergeht. Ich habe ein gutes
Gefühl und bin motiviert.

 

Fotos Felix Kuntoro

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Denise Rosenthal

Geschrieben von Denise Rosenthal

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