Revolverhelden mit Schulterpolstern

Die Radiogiganten Revolverheld melden sich am 8. Oktober mit ihrem Album „Neu Erzählen“ aus dem Norden zurück und verbinden ihren klassischen Sound mit dem Stil der 80er Jahre.

Revolverheld – ein Name, eine Band. Muss man noch mehr sagen? Trotzdem erzählen und erfinden sich die aus dem Deutschrock und -pop entsprungenen Chartstürmer immer wieder neu. Wie gut, dass es ab dem 8. Oktober nach zweieinhalb Jahren Arbeit ihr sechstes Album „Neu Erzählen“ zum Rauf- und Runterhören gibt, auf dem sich das Quartett mit der Frage beschäftigt, wie wir unsere Zukunft gestalten möchten. Denn auch die Zeit, in der wir leben, verändert sich rasend schnell und will neu erzählt werden. Anlässlich dieses Release-Spektakels haben wir uns den sympathischen Gitarristen Niels an die Strippe geholt und über das Verlassen der Komfortzone, aber auch die 80er und – wie sollte es anders sein – die Liebe geplaudert. Zudem verrät uns der Familienvater, wie die Goldjungen diese Themen, die uns alle umtreiben, musikalisch verpackt haben. Sogar von einem Konzert auf dem Braunschweiger Eiermarkt schwärmt der Hamburger im Gespräch.

 

Niels, wie geht’s dir denn? Was geht gerade bei euch?
Mir geht’s eigentlich gut. Wir sind diesen Sommer ja endlich wieder ein bisschen unterwegs. Können zumindest annähernd wie vor Corona live spielen. Es ist auf jeden Fall ganz toll, dass wir wieder echte Menschen sehen.

Ihr wart ja auch kürzlich in Bonn. Da hat es sich Johannes nicht nehmen lassen, nochmal über die Stuhlreihen zu klettern. War das dann so was wie Stage-Diving-Light?
(lacht) Ja, so ein bisschen. Also man muss ja auf die Abstände achten. Diese Konzerte sind so angelegt, dass da sehr breite Stuhlreihen sind und man schon ein bisschen Abstand hat. Das hat Johannes dann bei einem Song genutzt, um dort mal kurz durchzulaufen und sich auch mal auf einen Stuhl draufzustellen. Ist ja natürlich auch schön, mal wieder mit ein bisschen Vorsicht unter Menschen zu sein.

Das Datum für den Release eures neuen Albums steht bereits fest. Als ich in „Leichter“ und „Abreißen“ reinhörte, erinnerte mich das etwas an den Sound der 80er. Wie kam es denn dazu?
Ja, das hast du, wie ich finde, ziemlich gut rausgehört. Wir sind natürlich Kinder der 80er: Wir sind alle so um 1980 geboren und in den 80ern groß geworden. Das sind natürlich die ersten Kindheitserinnerungen, die wir haben und gleichzeitig auch die ersten musikalischen Prägungen.

Was ist denn dein persönlicher Lieblingssong aus den 80ern?
Mein Lieblingssong … Puh, da gibt es so viele Künstler und Genres, die man eigentlich betiteln müsste. Aber Toto zum Beispiel fand ich immer super oder Eric Clapton, da könnte ich unendlich viel aufzählen! (lacht) Aber das ist jetzt kein 80er-Album geworden. Wir sind ja auch immer interessiert und hören uns viel neue Sachen an und man hat eben gemerkt, dass gewisse Sounds wieder auftauchen. Da waren wir natürlich auch sofort angetriggert. Dass man einfach sagt: Ey, das kennen wir, das fühlen wir. Das hat total Spaß gemacht, sich da mal ein bisschen auszuprobieren, mit anderen Sounds zu experimentieren und einfach zu gucken, was dabei rauskommt. Aber natürlich sind es auch Revolverheld-Songs, die nach uns klingen. Da ist uns schon eine ganz gute Mischung gelungen, glaube ich.

Also experimentieren ist hier das Stichwort …
Ja, weiß ich nicht, vielleicht sich auch mal neu erfinden. Davon handeln ja auch einige Songtexte. Ob man jetzt „Neu Erzählen“ nimmt oder den Song „Abreißen“. Das sind eben oft auch Texte, mit denen wir uns beschäftigen. Wo man eben sagt: Okay, man muss auch mal was abreißen und neu aufbauen, damit es spannend und interessant bleibt. Man muss sich eben immer mal wieder neu erfinden, damit alles immer Spaß macht! (lacht)

Apropos „Abreißen“ – der Song handelt ja auch davon, die Komfortzone zu verlassen und klingt für mich wie ein Weckruf. Was liegt denn außerhalb eurer Komfortzone?
Vieles! Im Leben natürlich so einiges. Ich glaube, wir sind ja sowieso gerade alle gezwungen, die Komfortzone zu verlassen, weil sich einfach die Lebensumstände drastisch geändert haben. Ich will jetzt nicht immer auf die Pandemie eingehen, aber das ist natürlich ein Thema, was uns seit eineinhalb Jahren umtreibt. Wir sind insgesamt gezwungen, unsere Komfortzone auch mal zu verlassen und Dinge anders zu machen, weil es altbewährt nicht mehr funktioniert. Da gibt’s ja genügend andere Beispiele außerhalb von Corona. Es wird für uns alle wichtig sein, dass wir uns in gewissen Bereichen neu orientieren und Sachen auch mal anders machen. Ein „Weiter so!“ kann es nicht geben. Das gilt gesellschaftlich, aber für uns als Individualpersonen natürlich auch. Diese Komfortzone zu verlassen, bedeutet eben auch, dass man sich nicht ausruht auf dem, was man immer gemacht hat. Es macht ja auch Spaß, mal ein bisschen über den Tellerrand zu gucken, andere Sachen auszuprobieren, sich Inspiration zu holen und neuen Input zu kriegen.

Man wächst mit seinen Aufgaben. Darum geht’s ja auch in „Leichter“. Es geht vor allem darum, dass es in einer Beziehung nach einer gewissen Zeit leichter wird, wenn sich vieles eingespielt hat. Aber ist das wirklich so?
Es wär blöd, wenn ich jetzt sage, ich hätte immer nur Ein-Jahres-Beziehungen. Ich bin mit meiner Frau schon lange zusammen und verheiratet. Wir haben für uns immer diese Erfahrung gemacht. Am Anfang ist diese rosarote Brille da, weil man verliebt ist. Dann kommt irgendwann die erste Auseinandersetzung, weil man ja auch nicht komplett gleichgeschaltet ist. Man will in gewissen Punkten eben auch mal unterschiedliche Dinge. Aber ich glaube, irgendwann kommt man in einer Beziehung auch an diesen Punkt, dass man einfach sagt: Okay, wir sind einfach in gewissen Dingen unterschiedlich und das ist auch gut so! Dieses „Agree to Disagree“ ist, glaube ich, ganz wichtig. Es entspannt sich dann doch, wenn man einfach akzeptiert, dass man in gewissen Bereichen unterschiedliche Ansichten hat.

Ist das die Geheimzutat für eine gesunde und ewig währende Beziehung?
Nein, also ich glaube, jede Beziehung ist unterschiedlich und jeder Mensch wünscht sich auch was anderes. Ein Song kann natürlich nicht allumfassend als Lebensweisheit für alle dienen. Wir denken, dass das zumindest ein Aspekt ist, der ganz gut tut, dass man sich eben auch mal die Freiräume gibt und einfach sagt: Hey komm, ist doch in Ordnung. Du siehst es so, ich sehe es so. Wir müssen das nicht immer wieder ausfighten. Entspannung hilft ja immer in jedem Bereich! (lacht)

Auf jeden Fall. Und wenn es doch mal in die Brüche geht, was hilft bei Liebeskummer?
Ja, das ist eine gute Frage! (lacht) Ich glaube, da ist auch jeder anders. Ich bin da eher zurückgezogen. Es gibt ja aber auch viele Leute, die sagen: Ich muss mal auf andere Gedanken kommen und mich ablenken. Ich glaube, da gibt es nicht das Pauschalrezept, das jetzt für jeden passt.

Ihr seid Kinder der 80er und alle schon um die 40. Beim Hören von dem Song „Suchen“ bin ich über eine Zeile gestolpert: „Will nicht mehr suchen, nur noch finden.“ Geht’s vielleicht auch darum, im Alter anzukommen?
Auf jeden Fall ist das natürlich ein Thema. Ich glaube, das passiert automatisch, dass man einfach irgendwann an diesen Punkt kommt. Man muss nicht immer allem hinterherhecheln und immer auf der Suche sein und an Morgen denken. Wir haben gesellschaftlich diesen Trend oder diese Unart, dass alle nur noch am Selbstoptimieren und eigentlich nicht im Jetzt angekommen sind. Aber irgendwie vergisst man dabei das Leben. Man hat halt das Gefühl, dass man eigentlich immer auf der Suche ist und das Ziel gar nicht definiert ist. Für mich kann ich schon sagen, dass ich bei vielen Sachen einfach mehr und mehr merke, dass ich auch mal genießen muss. Es ist eben mit 20 alles etwas anders als dann um die 40. Man muss eben irgendwann anfangen, sich über die Sachen zu freuen, die man hat.

Wie war das so bei euch in euren 20ern, habt ihr da als Band auch mal die Rockstars raushängen lassen?
Ach ja klar. Es ist natürlich am Anfang alles sehr aufregend, wenn alles neu ist – dieses auf Tour sein, unterwegs sein. Dann ist da ein Kühlschrank voller Bier im Backstage und man kann sich einfach bedienen und solche Sachen. Natürlich hat es auch viele Abende gegeben, wo wir einfach mal ein bisschen gefeiert und das Leben genossen haben. Es ist jetzt aber auch nicht so, dass das irgendwie komplett gestoppt ist. Wenn wir unterwegs sind, dann freuen wir uns natürlich auch. Das ist immer ein bisschen wie Klassenfahrt! Einfach mal rauskommen und Spaß haben. Aber die ganz wilden Zeiten sind eben auch ein bisschen vorbei. Aber – es gibt ja immer mal einzelne Abende, wo man auch mal feiert! (lacht)

Was ist denn deine größte Jugendsünde?
Oh, ich glaube, ich war immer sehr experimentierfreudig. Ich habe alles Mögliche an Piercings gehabt und bin ja immer noch tätowiert. Und natürlich waren da auch Tattoos bei, so Tribal-Tattoos oder was da irgendwann in den 90ern auf einmal irgendwie ganz cool war, die ich ausprobiert habe, was ich dann irgendwann ganz schrecklich fand und was ich mir dann habe überstechen lassen. Ich glaube, ich habe auch alles an Frisuren gehabt, was man haben kann. (lacht) Aber ist irgendwie ganz lustig, sich alte Fotos anzuschauen, das ist schon in Ordnung. (lacht) Man muss ja auch mal ein paar Fehler machen!

Ich habe gesehen, dass ihr auch schon bei uns in Braunschweig gespielt habt, unter anderem auf dem Sparkassen-Open-Air 2015. Was ist denn deine liebste Braunschweig-Erinnerung?
Es gibt doch diesen Eiermarkt, ne? Da haben wir auch mal gespielt und das war irgendwie ein cooles Konzert, was mir in Erinnerung geblieben ist. Ich weiß gar nicht, ob das sogar ein Geheimkonzert war. Das ist noch länger her. Aber ich war privat, muss ich sagen, selten in Braunschweig und ich hatte auch damals nicht die Zeit, mir wahnsinnig viel anzugucken. Ich glaube, wenn wir nochmal wiederkommen, ist das Pflicht.

Fotos Olaf Heine

 

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Marie Vahldiek

Geschrieben von Marie Vahldiek

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