Razzant

RAZZ

1. August/

Wolters Applaus Garten (BS)
razz-music.com

Die Indie-Rocker RAZZ kommen am 1. August mit ihrer neuen EP
„Might Delete Later“ in den Wolters Applaus Garten.

Von der Schülerband aufs Hurricane Festival und vom Emsland nach Berlin – etwa so rasant verliefen die letzten Jahre der Indieband RAZZ, die Vorspultaste stets gedrückt. Support-Shows mit Kraftklub, Mando Diao und Bloc Party sowie TV-Auftritte bei Circus Halligalli und GZSZ können die vier Indie-Boys bereits von ihrer Bucket List streichen. Auch mit der Zusammenarbeit für ihr zweites Album „The Nocturnal“ mit dem legendären Musikproduzenten Stephen Street, der unter anderem schon die Babyshambles, The Smiths oder The Cranberrys im Studio hatte, erfüllte sich wohl ein großer Traum für RAZZ. Dank der kratzig-rauen Stimme von Frontmann Niklas und dem sphärischen Zusammenspiel von Bass, Gitarre und Drums eilte der Band schnell ein Ruf der „Emsländer Kings of Leon“ voraus. Um der schwindelerregenden Geschwindigkeit ihrer Karriere ein wenig den Wind aus den Segeln zu nehmen, gönnten sich die vier Mid-20s zuletzt eine kleine Verschnaufpause – zurück kehrten sie mit ihrer neuen EP „Might Delete Later“, neu entdeckter Leichtigkeit und sommerlich-zwanglosem Sound, den es am 1. August im Wolters Applaus Garten auf die Ohren gibt. Wir haben mit Sänger Niklas und Gitarrist Christian einen sympathischen Plausch über Selbstfindung, Trash-TV und Frösche, die sich in Schuhe verirren, abgehalten.

 

Eure Platte heißt „Might Delete Later“ – meint ihr, dass ihr irgendwann denkt: Hätten wir das damals nur anders gemacht?
Niklas Ich glaube tatsächlich nicht, dass wir diese Platte irgendwann löschen werden – hoffentlich nicht! (lacht) Für „Might Delete Later“ haben wir einfach so viele Songs geschrieben und auch eine kleine Selbstfindungsphase durchlebt, in der wir tatsächlich gefunden haben, was wir machen wollen. Gerade auch „Ocean (Without Any Waves)“ ist einer dieser Songs, die einen Meilenstein dargestellt haben. Wir haben so viel geschrieben und auch wieder verworfen und wollten durch dieses Motto „Might Delete Later“, das man ja auch kennt von irgendwelchen Posts oder so und damit wollten wir uns auch einfach selbst so ein bisschen den Druck nehmen und einfach sagen: Ich fühle mich jetzt gerade wohl damit. Das ist jetzt all das, mit dem wir happy sind und dadurch, dass wir die EP auch „Might Delete Later“ nennen, ist es jetzt gerade cool und hat nicht den Anspruch, in fünf Jahren immer noch das zu sein, was wir zu 100 Prozent verkörpern. Deswegen eben „Might Delete Later“.

Das ist jetzt eine sechs Tracks starke EP. Warum ist es kein Longplayer geworden?
Niklas Ich bin irgendwie immer ein großer Fan von diesen alten Sachen – auch so vom Konzept her, weil man viel größere künstlerische Freiheit hat. Aber es ist auch immer so, dass wir sehr viele Songs geschrieben haben, die irgendwo auf unseren Laptops liegen, wahrscheinlich noch 100 weitere Songs. Aber zum einen haben wir so die Wartezeit für uns verkürzt, weil so eine EP doch schneller rausgebracht werden kann und wir die Songs endlich teilen können. Zum anderen ist es auch kein Geheimnis, dass es gerade bei Spotify und so weiter so ist, dass viele Singles oder jetzt auch eine EP natürlich auch bevorzugt werden und das hat uns dann netterweise in die Karten gespielt. Aber erst mal ging es uns darum, so schnell wie möglich nach unserer Pause wieder was rauszubringen, statt an einem ganzen Album zu arbeiten.

Ihr bringt ja die EP auch als Vinyl raus. Ich hab das Gefühl, dass das (Schall-)Platten sammeln für Fans wieder wichtiger wird und Vinyl immer beliebter wird. Was glaubt ihr, warum das so ist?
Niklas Ich glaube, das ist mittlerweile wieder so ein Liebhaberprodukt geworden. Ich höre Musik natürlich auch mobil beziehungsweise über Streaming, weil ich überhaupt keinen CD-Player mehr habe. Aber eine Vinyl aufzulegen ist ja etwas ganz anderes, als kurz einen Song übers Handy zu hören. Man legt sie auf, man setzt sich irgendwo hin, man hört aufmerksam zu. Ich glaube, deswegen ist Vinyl mittlerweile auch so beliebt, um irgendwie auch aus dieser Schnelllebigkeit rauszukommen.
Christian Gleichzeitig geht es auch um das ganze Konzept. Dass man das ganze Album oder die ganze EP auch anfassen kann. Das ist eine ganz andere Erfahrung. Beispielsweise haben wir auch diese Inner Sleeves, also diese Dinger, die du rausziehst, wo dann die Vinyl drin ist, gestaltet. Da sind handschriftliche Texte drauf und das ist auch noch mal ein weiterer Aspekt, der über die Musik hinausgeht und als gesamtes Konstrukt mit dazugehört. Wenn man sich den Schriftzug „Might Delete Later“ anschaut, passt das auch genau dazu. Es ist ja nicht umsonst so krakelig geschrieben, oder? Es wurde nicht einfach mal da hingeschmiert. Das gehört auch visuell zusammen und macht es insgesamt super charmant.

Ich würde gerne über eure Single „Like You“ sprechen. Vergleicht ihr euch viel mit anderen? Gerade Instagram ist ja der perfekte Ort dafür…
Niklas Ja, die Idee hinter „Like You“ ist genau das gewesen. Man findet sich oft in so einem Rabbithole oder Loophole wieder, wo man einfach Stunden auf Instagram, TikTok oder whatever verbringt und sich dann Gedanken macht, was für ein krasses Leben irgendwelche Influencer haben. Und davon handelt auch so ein bisschen der Song. Wie man manchmal dasitzt und denkt: Oh, dieses schöne Leben hätte ich auch gerne. Aber natürlich immer mit einem kleinen Augenzwinkern, weil es letzten Endes, glaube ich, schon ganz gut ist, sein eigenes Ding zu machen und bei seinem Leben zu bleiben, denn alles, was auf Social Media passiert, ist ja vor allem ein Schein, der gewahrt werden muss. Natürlich geht es diesen Menschen auch mal beschissen. Das ist ja ganz normal. Es macht halt immer so einen trügerischen Eindruck, weil immer dieses Highlife und das krasse Zeug gepostet werden. Das ist aber meist nur die halbe Wahrheit.

Seid ihr während eurer Auszeit freier davon geworden?
Niklas Wir haben zumindest versucht, uns ein bisschen frei davon zu machen. (lacht) Ich glaube, in diesen zwei Jahren gab es auch auf Instagram für uns weniger zu erzählen. Aber nichtsdestotrotz haben wir, glaube ich, leider genauso auf irgendwelche Likes geschaut. Man macht das zwangsläufig. Aber im Vergleich zum ersten und zweiten Album waren wir da schon etwas entspannter. So nach dem Motto: Entweder es passiert oder es passiert nicht. Alles geht schon seinen Weg. Das war eigentlich eine ganz gesunde Einstellung, die wir da entwickelt haben.

Ihr seid ja relativ schnell quasi von der Schülerband aufgestiegen zu den großen Festival-Bühnen. Ging es euch zu schnell oder war das eigentlich genau das richtige Tempo?
Christian Also früher, als wir frisch angefangen haben, war es zeitweise sehr schnell und teilweise auch zu schnell. Ich glaube, wenn ich könnte, würde ich heute ein paar Sachen anders machen. Aber tatsächlich waren die letzten Jahre auch die schönsten meines Lebens. Deswegen war es größtenteils nicht zu schnell. Klar gab es Phasen, wo man mal gestresst war und auch nicht unbedingt auf Tour sein wollte, sondern lieber bei der Familie oder auch einfach mal ein paar Tage für sich haben wollte. Aber das hat ja jeder irgendwie mal, dass man sich einfach mal was anderes wünscht. Aber ich habe die Zeit auch sehr genossen und werde auch die nächsten Jahre mit Sicherheit sehr genießen.Niklas Hoffentlich!

Was war denn für euch so ein Moment, wo ihr gemerkt habt, dass da gerade ein ganz großer Traum in Erfüllung geht und da was richtig Großes auf euch zukommen könnte?
Niklas Oh Gott, das habe ich tatsächlich erst letztens realisiert. Also irgendwann Ende letzten Jahres, als dieses ganze Corona-Scheißding plötzlich wieder voll am Start war, habe ich mir gedacht: Okay, vielleicht ist es nochmal eine Überlegung wert, was anderes zu machen – will ich mit diesem Stress leben? Es war im letzten Jahr so oft perspektivlos, weil man nicht wusste, ob und wann es je wieder Konzerte geben wird. Und da haben wir uns alle auch in einer kleinen Existenzkrise befunden. Mir ist aber dadurch auch krass bewusst geworden, wie schön es ist, dass wir das machen können und dürfen. Einfach, weil es das ist, worauf ich mega Bock habe. Zwar gibt es auch andere Sachen, die ich wahrscheinlich machen könnte, die mir auch Spaß machen würden. Aber letzten Endes macht es mir am meisten Spaß, mit meinen Kumpels Mucke zu machen und auf Bühnen stehen zu dürfen. Ich glaube, da sind wir einfach super privilegiert und da bin ich sehr dankbar für.

Wer waren früher eure Vorbilder, als ihr noch von der großen Bühne geträumt habt?
Niklas Also früher war es auf jeden Fall – das kann man, glaube, ich auch bei unseren ersten Sachen hören und wir wurden auch super häufig damit verglichen – safe die Kings of Leon. Mittlerweile denke ich aber oft: Oh bitte, nicht schon wieder dieser Vergleich. Weil ich es mittlerweile auch kaum noch hören kann. Inzwischen hat sich das auch sehr gewandelt. Gerade für diese EP haben wir super viel Lewis del Mar und The War on Drugs gehört. Es mischt sich aber auch vieles – beispielsweise haben ja auch Coldplay mega geil gestartet, aber trotzdem möchte ich jetzt nicht wie sie klingen. Zumindest nicht wie die letzten Alben. Das ist mittlerweile irgendwie weirdes Zeug.

Warum habt ihr euch entschieden, auf Englisch zu singen? Wie schafft ihr es dabei, international und nicht so deutsch zu klingen?
Niklas Es gibt einfach so ein paar „typisch deutsche“ stilistische Mittel. Ich finde, deutsche Musik ist oftmals irgendwie zu ausproduziert. Gerade die Popmusik ist immer super glatt gestrichen. Und zum Text: Zu unserer Anfangsphase habe ich eigentlich nur englischsprachige Musik gehört. Deswegen hat sich das auch ein bisschen dahin entwickelt, dass wir selbst englische Texte geschrieben haben. Und ich fand es auch schon immer weird und sehr einschüchternd, auf Deutsch zu singen, weil dann automatisch immer jeder verstehen kann, was du singst und worum es geht. Dadurch wird es irgendwie direkt intimer. Es fühlt sich so an, als würde man sich nackt ausziehen. Jeder sieht dann direkt, was du zu bieten hast. (lacht) Mittlerweile ist es aber ein bisschen anders. Für RAZZ ist es zwar immer noch gut, wenn wir weiter auf Englisch singen, aber ich habe inzwischen einen besseren Zugang zu deutschsprachiger Musik gefunden. Ich meine da Künstler wie Schmydt oder die Jeremias. Da gibt es auf jeden Fall eine gute Welle an deutschsprachiger Musik, die so seit ein paar Jahren am Start ist.

 

Wie beurteilt ihr denn die deutsche Indie-Landschaft?
Christian Es gibt auf jeden Fall gerade viele aufstrebende KünstlerInnen. Wenn ich jetzt so an Majan, BLVTH oder Nugat denke – das ist schon echt krass, wie viel Arbeit da drinsteckt. Ich finde, die deutsche Indie-Szene macht gerade einen sehr guten Job. Da gibt es richtig viele sehr, sehr gute KünstlerInnen.
Niklas Cool finde ich auch Bands wie die Giant Rooks. Es ist schön zu sehen, dass es Bands gibt, die auch über Deutschland hinaus funktionieren.

Ihr habt ja auch schon Mando Diao, Kraftklub und Bloc Party supportet… Mit wem würdet ihr denn gerne noch gemeinsam touren?
Christian Das würde zwar überhaupt nicht passen, aber super gerne mit Bon Iver. (lacht). Das ist mein Lieblingskünstler. Das wäre super krass!
Niklas Das ist zwar auch richtig weit weg, aber mit Frank Ocean wäre ich richtig gerne mal unterwegs. Oder Justin Timberlake – ja, ich entscheide mich für Justin Timberlake. Mit dem würde ich gerne mal touren.

Warum habt ihr euch zuletzt eine zweijährige Auszeit gegönnt?
Christian Eigentlich haben wir gar nicht so eine richtige Pause gemacht. Für uns hat es sich zumindest nicht so angefühlt. Wir haben eigentlich die Zeit vollständig genutzt, um Songs zu schreiben und um diesen Selbstfindungsprozess zu beschreiten. Und dann haben wir auch sehr viele Songs geschrieben, bis wir den richtigen hatten, auf dem quasi die anderen Songs aufbauen. Songs wie „1969 – Conrad“ oder „Ocean (Without Any Waves)“ hatten wir zuerst geschrieben und da gab es dann einen Moment, wo wir alle dachten: Yo, das ist es, das ist nice, das fühlen wir alle und darauf können wir aufbauen. Dann kam der Rest.

Ihr hattet schon vor einer ganzen Weile mal einen Auftritt bei GZSZ – wie kam es denn dazu?
Niklas Gute Frage, das weiß ich ehrlich gesagt auch gar nicht mehr genau. Das war 2015 oder so. Wir wurden denen irgendwie vorgeschlagen und die fanden das super gut, dann kam das Angebot und wir haben es einfach gemacht. Wenn es ein Guilty Pleasure von uns gibt, dann ist das vielleicht eines! (lacht) Obwohl ich eigentlich kein großer Fan von diesem Wort bin, weil ey, in dem Moment war es cool, also passt schon.

Also seid ihr Free-TV- oder Soap-Fans?
Niklas Jetzt kommt ein richtiger Berliner Satz: Ick hab gar kein Fernseher mehr zu Hause! Ich schaue auch mittlerweile kaum noch Netflix. Ich bin irgendwie komplett raus aus diesem ganzen Serien- und Soap-Ding.
Christian Bei uns in der WG gibt’s einmal die Woche einen Trash-TV-Abend. Am Anfang war ich so mega skeptisch und dachte so: Leute, lasst mich damit in Ruhe. Aber mittlerweile frage ich immer nach, wie es denn mit der Bachelorette aussieht. (lacht) Da kann man gut mal abschalten.

Ihr lebt ja inzwischen in Berlin. Was vermisst ihr denn aus dem Emsland?
Christian Manchmal die Ruhe. Aber die hol ich mir dann, in dem ich mal aus Berlin rausfahre, an Seen oder in den Wald, um da spazieren zu gehen. Aber das ist eigentlich das Einzige.
Niklas Ja, das kann ich unterschreiben. Manchmal ist Berlin sehr, sehr anstrengend und wirklich schnelllebig und das macht einen ab und an mal fertig. Und es wäre natürlich chilliger, wenn meine Familie hier wäre oder wenn all meine Freunde auch hier wohnen würden. Aber grundsätzlich ist einfach das Angebot und dieses Facettenreichtum, die Berlin bietet, schon ein krasses Level.

Wart ihr eigentlich auch schon mal in Braunschweig? Seid ihr hier schon mal aufgetreten?
Niklas Ja, auf jeden Fall. Ich glaube, unser zweitletztes Konzert vor der Pandemie war in Braunschweig.
Christian Im Eulenglück!
Niklas Ich erinnere mich noch ganz genau daran, dass wir mal den Support für Bosse gespielt haben. Das war eine Riesenshow. Und da hat Christian mit seinem Fuß noch einen Frosch zerquetscht! (lacht)
Christian Aber nicht extra!
Niklas Wir waren vorher im Schwimmbad und er hatte da seine Schuhe stehen und als wir fertig waren und es schon dunkel war, ist er schnell wieder reingeschlüpft und da hatte sich wohl ein Frosch drin versteckt. Fuß und Frosch sind keine Freunde geworden. (lacht)

Habt ihr da auch Wolters getrunken?
Niklas Na klaro.
Christian Ich habe auch in Erinnerung, dass es ganz lecker war. Es war nicht so herb wie Jever oder so, sondern einfach ein gutes Bier.

Was ist denn eure Lieblings-Abkühlung an einem heißen Sommertag?
Beide Bier! (lachen)
Niklas Wie kommen wir aus der Nummer wieder raus?
Christian Ich finde eine kühle Mate auch immer ganz gut.

Man munkelt, das Rocken am Brocken sei euer Lieblings-Festival…
Niklas Ich liebe es, da wird alles mit so viel Herz gemacht. Ich weiß noch, wie wir Jonas, dem Veranstalter, zu unserer Hölzernen Hochzeit einen Ring aus Alufolie geschenkt haben. Der ist da zu uns auf die Bühne gekommen und wir haben ihn kniend gefragt, ob er uns noch ein weiteres Mal heiraten möchte. Dann gab es einen ganz romantischen Kuss auf der Bühne, wir haben Kuchen bekommen – ach, ich könnte stundenlang übers Rocken am Brocken schwärmen. Hoffentlich findet das nächstes Jahr wieder statt! Dann heiraten wir Jonas auch gerne noch einmal.
Christian Man kann seine einzig wahre Liebe nicht häufig genug heiraten!

Fotos Martha Friedel

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Louisa Ferch

Geschrieben von Louisa Ferch

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