Antilopen-Gang-Rapper Danger Dan droppte am 30. April sein viertes Soloalbum „Das ist alles von der Kunstfreiheit gedeckt“ — elf unerwartete Klavierstücke in smartestem Rhetorikgewand.
Danger Dan steht auf Ärger und Klaviermusik – und das nicht nur als Teil seiner Rap-Crew Antilopen Gang, sondern auch schon auf seiner ersten Solo-EP „Coming Out“ von 2008. Darauf singt er etwa: „Hip-Hop unterfordert mich und wenn‘s kein Klavier mehr gibt auf dieser Welt, bitte ermordet mich.“ Danger Dan bringt die Dinge gerne und schnell auf den Punkt.
Glücklicherweise sind Instrumente noch nicht von Pandemien, dem Klimawandel oder einer abdriftenden Politik betroffen und so konnte der Rapper in bordeauxroter Bomberjacke stets weiter Klavier spielen und daraus hat er nun ein ganzes Album gemacht: „Das ist alles von der Kunstfreiheit gedeckt“ kam am 30. April auf Antilopen Geldwäsche raus. Die gleichnamige Single polarisiert seit ihrem Release am 26. März, lässt die Gehirnzellen von Anwälten auf Hochtouren laufen und wird sicherlich in Kürze die drei Millionen-Klicks-Marke auf YouTube knacken. Doch auch die zehn weiteren Stücke der Platte haben das Zeug dazu, gehört und gefeiert zu werden: Mal sarkastisch, mal poetisch und tiefgründig erklärt Danger Dan uns die Welt und singt von dem Patriarchat, der Rebellion und der Liebe. Verfeinert wurde das Werk von Streicher-Kompositionen der Künstlerin Mine. Starke Kombi.
Antifaschistische Klavierballaden
Jetzt, wo Danger Dan am Tasteninstrument seiner Wahl sitzt und seiner Stimme Melodie gibt, stürzen sich die Medien auf ihn – sogar das ZDF hört plötzlich hin. Komisch, wie das mit der Kunst funktioniert. „Als Rapper kannst du im Grunde alles sagen, da löst eine Zeile die andere ab und selbst die kitschigsten Lines wirken irgendwie ironisch. Wenn du aber alleine am Klavier sitzt, bekommen die Worte viel mehr Gewicht“, erklärt Dan zum Release seines heißdiskutierten Albums, „einige Sachen gehen dann einfach nicht mehr“ – oder doch?
Danger Dan wäre nicht wirklich Danger Dan, wenn er plötzlich schnulzige, mittelrelevante Kleinkunst machen würde. Vielmehr verpackt er jetzt seine humoristische Wortgewandtheit und sarkastische Rhetorikkunst in ein harmonisches Liedermachergewand und teilt dabei nicht weniger aus: Einen Hundekrawatten-tragenden AfD-Vorsitzenden sowie bestimmte verschwörungsversiffte Pseudo-Aktivisten und -Journalisten besingt er – rein spekulativ – als Faschisten und Antisemiten; weiter klagt er Polizei und Verfassungsschutz an und tritt damit nahe an die Schwelle der „juristischen Grauzone“. Seitdem läuft Danger Dan täglich aufgeregt zum Briefkasten, voller Erwartung auf eine Klage.
Die Provokation gehört zur Lebensaufgabe des Rappers: „Wir sind der Meinung, dass man es nicht allen Menschen Recht machen muss und es macht uns auch immer wieder Freude, Leuten den Tag zu versauen“, erzählte er uns 2020 im SUBWAY-Interview mit der Antilopen Gang. Bisher bliebs jedoch still, schließlich handelt es sich hier um Kunst und einen Prozess gegen Schwurbel-Schwein Ken Jebsen hat er schon einmal gewonnen.
Die Kraft der Kunst
Die in der Single auf die Probe gestellte Kunstfreiheit bezieht sich auf Artikel fünf unseres Grundgesetzes und gilt als eines unserer am stärksten geschützten Grundrechte. Ähnlich wie das Recht auf Meinungsfreiheit gilt es als wesentlich für unsere Demokratie. Allround-Satiriker und Journalist Jan Böhmermann hat bereits 2016 mit seiner „Schmähkritik“ an Erdoğan öffentlich die Debatte über die Grenzen der Kunst eröffnet – fünf Jahre später moderiert er im Hauptprogramm des Öffentlich-Rechtlichen und hat sich prompt Danger Dan als Gast eingeladen. Da saßen sie nun, die zwei Krawallschachteln – der eine im Anzug, der andere mit Doc Martens – und debattieren bei einem Bier über Cancel Culture.
Es scheint, als gäbe es keinen besseren Zeitpunkt als jetzt, um Rebellen wie Danger Dan eine große Bühne zu geben und den starken Stimmen aus Kunst und Musik endlich zuzuhören – war es das vergangene Jahr doch so still in den Rängen. Diese anhaltende Situation hat auch beim Antilopen-Rapper zur Erkenntnis geführt, dass „wir die Spielräume, die uns Kunstfreiheit bietet und auch die Erzählmöglichkeiten, die wir in der Kunst haben, viel besser und schlauer anwenden und nutzen könnten“, philosophiert er Anfang April im Interview mit dem BR. Wie smart er genau das in Tat und Musik umsetzen kann, beweist Danger Dan mit diesem Album noch und nöcher.
Krisen und schlechte Zeiten waren schon immer Ventil und Inspiration für Künstler-Innen und dieser Gedanke gibt auch uns die lang herbeigesehnte Hoffnung, dass es nach all dem Mist wieder Grund gibt zu feiern, die Musik noch lauter wird und die Kunst noch freier.
Der Sekt dafür steht schon im Keller.
Foto Jaro Suffner
GIPHY App Key not set. Please check settings