„Ich möchte mir treu bleiben“

Interview mit Matthias Schweighöfer zu „Die Schwimmerinnen“

Er zählt zu den wenigen Stars des deutschen Kinos. Gemeinsam mit Til Schweiger drehte Matthias Schweighöfer „Keinohrhasen“, „Zweiohrküken“ und „Kokowääh 2“. Für Wolfgang Petersen stand er in „Vier gegen die Bank“ vor der Kamera. Mit der Komödie „What a Man“ gab der Schauspieler vor zehn Jahren sein Regiedebüt, es folgten „Schlussmacher“, „Vaterfreuden“ und „Der Nanny“. Zudem ist Matthias Schweighöfer Gründer und Mitinhaber des börsennotierten Medienunternehmens Pantaflix. Nun ist er im Flüchtlingsdrama „Die Schimmerinnen“ zu erleben. Die Netflix-Produktion erlebte auf dem Zürich Filmfestival ihre Europa-Premiere. Dort traf ihn unser Mitarbeiter Dieter Oßwald.

 

Herr Schweighöfer, wie passt dieses Flüchtlingsdrama in die aktuelle Zeit?
Es müsste viel mehr Filme geben, die diese Thematik aufgreifen. Die Probleme sind ja nicht vorüber, ganz im Gegenteil. Als ich den Film zum ersten Mal gesehen habe, dachte ich zunächst: Das fühlt sich so irre weit weg an, wie aus einer anderen Zeit. Doch dann wird schnell klar: Das ist ja alles noch immer ganz aktuell. Deswegen bin ich ausgesprochen froh über dieses Projekt.

Den Flüchtlingen ein Gesicht zu geben, verleiht dem Film seine Wirkung. Fehlt das bislang oft in der Debatte?
Unbedingt. Der Film zeigt die Flüchtenden als ganz normale Menschen. Und er zeigt besonders eindrucksvoll, dass dieses Schicksal jeden treffen kann. Schließlich weiß niemand, was die Zukunft morgen bringen wird. Was wirst du tun, wenn du selbst unverschuldet in solch eine Lage kommst?

Sie engagieren sich seit vielen Jahren für soziale Projekte. Welche Rolle spielt dieses Engagement in Ihrem Leben?
Auf soziales Verhalten zu achten, finde ich wichtig. Wir haben in unserer Familie eine Regel, wonach die Kinder und wir Eltern etwas für Bedürftige spenden, sobald wir einen größeren Betrag für eigene Anschaffungen ausgeben. Wenn die Kids neue Turnschuhe bekommen, dann spenden sie etwas von ihrem Taschengeld. Auf diese Weise kommen gut 500 bis 1.000 Euro im Monat für gemeinnützige Zwecke zusammen.

Für „Die Schwimmerinnen“ haben Sie Ihre Star-Power gespendet. Ohne den berühmten Namen würden sich weit weniger Zuschauer für diesen Film interessieren…
Im Jahr 2016 bekam ich den Bambi als Regisseur für „Schlussmacher“. Danach kamen die Flüchtlingsschwimmerinnen Yusra and Sarah Mardini auf die Bühne und erhielten ihren Silent Heroes Award. Damals dachte ich, welch eine großartige Geschichte. Plötzlich kam mir mein eigener Preis viel kleiner vor, da ging es ja lediglich um Unterhaltung. Umso schöner war es, als Netflix mit dieser Film-Idee zu mir kam, um diese Story richtig groß herauszubringen.

Sie sind nicht nur Schauspieler, Regisseur, Produzent und Sänger, sondern auch Gründer und Mitinhaber des börsennotierten Medienunternehmens Pantaflix. Auf welcher Bühne sind Sie am liebsten?
Seit der Pandemie habe ich aufgehört mit Musik und mache wieder mehr Film. Meine große Leidenschaft gehört auf alle Fälle dem Kino. Die Kombination – Regie und Schauspiel – liebe ich schon sehr.

Beim nächsten Projekt ist es die Kombination aus Film und Musik. In „Girl you know it’s true“ spielen Sie Frank Farian, den Produzenten des Pop-Duos Milli Vanilli.
Den Produzenten hatte ich dreimal abgesagt, inzwischen ist es allerdings ein echtes Herzensprojekt von mir geworden. Das ist schon eine ziemlich irre Geschichte, die dieser Film erzählt. Mittlerweile ist mein Anspruch, der, dass ich Zeit mit guten Leuten verbringen möchte. Und ich möchte solche Storys erzählen, die mich auch persönlich interessieren. Erfolg hin oder her, es geht um gute Geschichten!

Ist Ihnen manches aus Ihren Comedy-Quatsch-Zeiten heute peinlich?
Überhaupt nicht! Ich habe alles gerne gemacht. Vor kurzem traf ich zwei der berühmtesten Tik Tokkerinnen von Deutschland. Die haben mit ihrer alleinerziehenden Mutter jede dieser Komödien angeschaut. Und sie kannten so viele Dialoge daraus, dass ich dachte: Zwei Stunden Lachen ist doch großartig!

Auf den Festivals von Venedig, Toronto oder Zürich ist Netflix sehr präsent, während Cannes sich nach wie vor stur mit Streaming-Diensten gibt. Wem gehört die Film-Zukunft?
Prinzipiell finde ich jedes Medium gut, das Film möglich macht. Kino bietet den einzigartigen Vorteil, ein Gemeinschaftserlebnis zu haben: Das darf auf keinen Fall aussterben. Umso erfreulicher ist die aktuelle Tendenz, dass Netflix sich immer mehr öffnet für Kinoauswertungen.

Wie waren die Reaktionen beim Festival von Toronto?
Nach der Vorstellung herrschte zunächst eine auffallende Stille. Ein Film wie dieser muss natürlich erst einmal sacken. Danach wurden wir vom Publikum sehr liebevoll und warmherzig empfangen.

Welche Reaktion würden Sie sich nach der Ausstrahlung auf Netflix wünschen?
Es wäre schön, wenn Zuschauer sich dazu animiert fühlen, sich dieses Thema wieder bewusst zu machen und vielleicht auch selbst zu helfen. Wichtig wäre mir zudem, dass die Leute anschließend sagen: „Wow, das war ein guter Film, der mich berührt hat.“ So ernst das Thema sein mag, ist das für mich ganz klar ein „feelgood-movie“.

Ihr Kollege Elyas M’Barek erzählt gerne, er würde sich eine Tarnkappe wünschen, damit er ungestört ins Freibad gehen kann. Haben Sie ähnliche Wünsche?
Ich habe gelernt, das Gegenüber immer ernst zu nehmen. Wir waren vor kurzem auf Ibiza. Dort hat mich eine Frau angelächelt, aber ich war so im Joggen vertieft, dass ich nur auf den Boden blickte. Danach dachte ich: Wie blöd von mir! Ich ging also nochmals zurück zu der Frau und bedankte mich für das freundliche Lächeln.

Was ist die wichtigste Eigenschaft in Ihrem Beruf als Schauspieler?
Sich und sein Ego nicht so ernst zu nehmen.

Wie geht es mit der Karriere weiter? Der Auftritt in der berühmten Jimmy Fallon-Show dürfte die Weichen nach Hollywood stellen…
Ich möchte mir treu bleiben und sagen: „Das sind die Geschichten, die ich wirklich erzählen will.“ Zudem würde ich mich gern ein bisschen in Englisch ausprobieren, weil ich die Sprache sehr mag. Deswegen leben wir derzeit zum großen Teil in Los Angeles. Mein Ziel ist, jeden Morgen sagen zu können: „Danke, dass ich heute aufgewacht bin.“ 

Fotos Netflix

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Dieter Osswald

Geschrieben von Dieter Osswald

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