Gesichter einer Branche

Die Initiative Kulturgesichter053 ist am Karnevalssonntag mit einem stillen Kulturzug durch Braunschweigs Straßen gezogen und hat auf die schwere Situation der Branche aufmerksam gemacht.

In den vergangenen zwölf Monaten hat die vielseitige Kultur- und Veranstaltungsbranche immer wieder Rufe nach Hilfe und Unterstützung lautwerden lassen, doch leider erlangten Aktionen wie beispielsweise die Night of Light im Juni nicht die gewünschte politische Aufmerksamkeit. Aufgegeben wurde deshalb aber noch lange nicht – es folgten Demonstrationen in Deutschlands größeren Städten und in Berlin unter dem Titel #alarmstuferot, inzwischen pulsieren die Alarmleuchten jedoch dunkelrot. Der Veranstaltungsbranche muss geholfen sowie Perspektiven und Lösungen geschaffen werden.

 

Dieses Ziel hat sich insbesondere Eventmanager Dirk Wöhler auf die Fahne geschrieben, der sich nicht nur in seiner Heimatstadt Braunschweig mit hundert Prozent Herzblut für seinen Wirtschaftszweig einsetzt, sondern deutschlandweit Zeichen setzt. So hat er es auch am 14. Februar – dem diesjährigen Karnevalssonntag – geschafft, in unserer Löwenstadt einen einzigartigen kulturellen Demozug zu organisieren, der bundesweit für Aufsehen sorgte.
Zuvor hatte es zahlreiche Fotoshootings in Dirks Veranstaltungsagentur WMS Events gegeben, bei denen insgesamt über 500 Kulturschaffende abgelichtet wurden. Neben Veranstaltungskauffrauen und -männern sowie BookerInnen, MusikerInnen und FotografInnen konnten auch freiberufliche KünstlerInnen, SchaustellerInnen, TontechnikerInnen sowie leidenschaftliche Kulturfreunde und vierbeinige, fellige Feel-Good-Manager gemeinsam die große Bandbreite der Kulturbranche aufzeigen und verbildlichen, warum es insbesondere für diesen Wirtschaftszweig schwierig ist, den Lockdown zu überstehen: Es fehlt eine Lobby für die mannigfaltigen Tätigkeitsfelder und viele freie Kunstund Kulturschaffende fallen durchs Raster.

Kulturgesichter nehmen Fahrt auf
Die Fotoaktion der Kulturgesichter gibt deshalb allen eine Plattform und macht die Vielfalt der betroffenen Jobs sichtbar, die gerne übersehen, vergessen oder nicht ernstgenommen werden. Für den Braunschweiger Kulturzug ließ Dirk Wöhler alle 500 Porträts drucken und an Holzlatten schrauben. Gemeinsam konnten schließlich alle Demonstranten das Abstands- und Maskengebot einhalten und trotzdem ihre Gesichter zeigen. Andächtig zog ein Zug von über 1 000 schwarzgekleideten Menschen trotz eisiger Minusgrade mit ihren Schildern durch Braunschweigs Innenstadt. Statt wütende Parolen zu rufen oder ausgelassen zu feiern, blieb die Menge ruhig – so still, wie es ohne Kunst und Kultur nun mal seit Monaten ist. Unterstützt wurde der starke Auftritt von einem Truck, der den Zug mit einer großen LED-Fotowand begleitete, auf der eine Diashow mit den Kulturgesichtern zu sehen war. Auch der Schaustellerverband Braunschweig war mit einem großen Wagen am Start.Zu Ende ging der Kulturzug am Schlossplatz, wo Kundgebungen abgehalten wurden – unter anderem vom niedersächsischen Wirtschaftsminister Bernd Althusmann. Ebenso wartete dort ein mit den Kulturgesichtern beklebter Bus der Wolfsburger Verkehrs GmbH auf – in Braunschweig und Wolfenbüttel sollen demnächst ebenfalls Kulturgesichter-Busse über die Straßen rollen. Nicht zuletzt zog auch ein symbolischer Sarg, in dem die Veranstaltungsbranche weggesperrt auf ihre Wiederbelebung wartet, mit der demonstrierenden Menge ein und blieb für mehrere Tage vorm Schloss als Mahnwache inmitten der 500 Fotoschilder stehen.

Die Initiative der Kulturgesichter ist eine bundesweite Aktion: In 46 Städten fanden bereits Fotoshootings der Kulturschaffenden statt. Die Demo gabs allerdings nur in der Löwenstadt: „Ich habe im gemeinsamen Call mit den teilnehmenden Kulturgesichter-Städten gefragt, ob sie nur Fotos machen oder auch etwas verändern wollen – wir könnten hier in Braunschweig großer Vorreiter werden!“, berichtet uns Dirk euphorisch, der es durch seine gute Vernetzung geschafft hat, sein Anliegen an die breite Öffentlichkeit heranzubringen. So waren etwa der NDR, SAT.1 und der WELT-Nachrichtensender vor Ort, haben Kulturgesichter interviewt und über den Protestzug berichtet.

Trotz der großen Aufmerksamkeit, die der Kulturzug erregt hatte, ist für Dirk Wöhler noch nicht die Zeit zum Füßehochlegen gekommen. In Arbeit ist schon jetzt eine große Plakat-Aktion in den Städten Braunschweig, Wolfsburg und Wolfenbüttel, um nach dem großen Coup nicht wieder in Vergessenheit zu geraten. Hut ab, Dirk, für all deine Ideen, deine Energie und dein Engagement für unsere geliebte, bunte vielfältige Branche!

 

Fotos Benyamin Bahri

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Louisa Ferch

Geschrieben von Louisa Ferch

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