Fernwehmusik

Clueso

28. September/
Swiss Life Hall (H)
clueso.de

Mit Sommer, Sonne und Melancholie vertreibt Clueso auf seiner neunten LP „Album“ Winterkummer und Sorgen. Coronabedingt wurde das Konzert zum neuen Album in Hannover auf den 28. September verschoben.

In welche Schublade würdet ihr den singenden Sonnenschein Clueso stecken? Schwierig zu sagen, oder? Nach über 20 Jahren, die der gebürtige Erfurter schon am großen Musikhimmel leuchtet, und unzähligen namhaften Features etwa mit Udo Lindenberg, Capital Bra oder den Fantastischen Vier hat Clueso immer wieder sein Talent bewiesen, ein musikalisches Pop-Chamäleon zu sein. Obwohl er nie so ganz die Urban-Deutschpop-mit-Tiefgang-Ecke verließ, wurde es in der Cluesn-Diskografie nicht langweilig. So überraschte auch seine zuletzt erschienene 19-Song-satte Platte „Album“, auf der der inzwischen 41-Jährige Singer-Songwriter seine Fans mit auf einen musikalisch-sonnigen Roadtrip nimmt, der an nasskalten Tagen wie Balsam für die Seele ist. Keine Spur von Corona-Depression oder Verzweiflung, stattdessen Flamenco-Rhythmen und Aufbruchsstimmung. Etwa nach dem Motto: Einfach mal Sonnencreme im Winter benutzen und schon fühlt sich alles ein wenig unbeschwerter an. Während wir uns beim Hören schon in den nächsten Urlaub geträumt haben, hatten wir Clueso himself an der Strippe. Beim Mittagssnack im Hotel hat er mit uns über „Album“ geschnackt und wir haben erfahren, was er eigentlich für eine Last-Minute-Reise in seinen Koffer packen würde.

 

Cluesn, wie geht’s? Was steht gerade an bei dir?
Ich habe gerade tatsächlich Promo-Zeit. War gerade in der Schweiz, war zwischendurch kurz zu Hause, jetzt bin ich in Berlin… Gerade erst ist die Nachricht rausgekommen, dass wir bei „Sing meinen Song“ mitmachen. Das habe ich noch nie gemacht, obwohl ich da schon sehr oft eingeladen wurde. Zeitlich hat das immer nicht so gut geklappt, weil ich da immer an einem Album gearbeitet habe und da dachte ich dann immer, dass ich das nicht als Endgegner haben will, sondern meine Sachen gut machen will. Jetzt habe ich aber mein Album ja fertig und deswegen hat es diesmal gut gepasst. Außerdem habe ich gewittert, dass es ein geiles Team ist! (lacht)

Vor ein paar Wochen ist dein Album „Album“ erschienen, die erste Single dazu kam aber ja schon vor über eineinhalb Jahren. Wie kam das? Ist das Album erst nach und nach aus den Singles gewachsen?
Das war so eine Idee, die wir hatten. Das war auch noch vor der Pandemie. Ich arbeite ja in einem angenehm jungen Team und wir haben uns so ein bisschen an den Amis orientiert und wollten auch einfach mal einzelne Singles raushauen. Und das hat mich tatsächlich total entspannt und ich habe mich fast geärgert, dass ich das nicht schon viel eher gemacht habe, weil so einfach ein richtiger Drive entsteht. Man haut ein Ding raus, die Leute finden es cool, man geht wieder ins Studio, findet nen neuen Song fett und haut den wieder gleich raus. Überhaupt dieses raushauen, direkt nachdem etwas fertig ist, hatte ich sehr lange nicht, weil ich immer erstmal ein ganzes Album gemacht habe. Aber das zeitnahe Releasen finde ich einfach geil. Man kann auch damit spielen, Geschichten zu den Songs erzählen. Und nach sieben Singles und ungefähr 30 oder 40 weiteren Songs, die ich währenddessen die ganze Zeit geschrieben habe, habe ich gemerkt, dass ich da jetzt ein Album fertig machen muss, weil ich auch einfach gerne Alben schreibe. Das macht mir sehr viel Spaß.

Wenn man so lange an etwas arbeitet, ist es dann nicht auch irgendwie schwer, zu einem Schluss zu kommen? Wann ist der Punkt, wo man dann sagt: Jetzt ist es fertig?
Das weiß ich ehrlich gesagt nicht! (lacht) Das ist dann einfach so. Ich kriege diesen Moment eigentlich gar nicht richtig mit, weil ich so im Wahn bin. Da braucht man vielleicht echt Berater oder Freunde, die sagen: „Cluesn, es reicht! Jetzt muss du mal fertig machen!“ Und ich glaube, dieser Fertigmach-Stress zwingt einen auch dazu, dass man etwas dann auch wirklich abschließen will. So ein Anfang ist immer geil, aber einen Song dann auch nach Hause zu bringen, in die Mischung zu geben und was da alles dazugehört – das ist irgendwie ein Prozess und irgendwann merke ich einfach: Jetzt ist genug da. Playlisten sind auch entscheidend – ich baue mir immer Playlisten, wie so ein Mixtape, und merke so, welcher Song ein Schwesterchen oder Brüderchen braucht und wer alleine klarkommt.

Du hast inzwischen zu Sony gewechselt und auch aus deiner Promo geht so ein bisschen hervor, dass du für das aktuelle Album wieder so eine Art Cut gemacht hast. Was hat dich dazu bewegt?
Ganz einfach: Ich habe einen ganz guten Draht zu Daniel Lieberberg, der ist ja bei Sony, und die haben mich gefragt, ob ich da hinkommen möchte. Da kannte ich das Team aber noch nicht, mit dem ich jetzt aber wirklich wahnsinnig glücklich bin. Und ich habe aber ja auch ein eigenes Label, was immer vorgeschaltet ist, sodass ich auf jeden Fall immer Entscheidungsfreiheiten habe, aber wir arbeiten trotzdem sehr eng zusammen und mochten uns auf Anhieb.

Muss man sich automatisch immer wieder neu erfinden und so einen „Neuanfang“ wagen, wenn man schon so lange dabei ist?
Ich glaube ja, wobei so ein Teamwechsel jetzt nicht immer vonnöten ist, um etwas Neues zu schaffen. Das eine bedingt eher das andere. Dass man was Neues macht und dafür vielleicht ein anderes Team braucht oder so. Vielleicht aber auch, wenns ums Live-Spielen geht, dass ich da schaue, was ich jetzt brauche und wie man das umsetzen kann. Eher so, denke ich.

Wie sehr lässt du dich dabei von musikalischen Trends beeinflussen, wenn du beispielsweise Features mit Bausa angehst?

Das ist meistens einfach eher irgendwie passiert. Ich höre sehr viel Rap, aber natürlich hat das einen Einfluss, wenn Rap gerade total vorherrschend ist. Und wenn ich die Chance habe, mit jemand so großem was zu machen und ich so eine Art Transfer habe, finde ich das total geil. Wichtig ist für mich, dass die Leute, mit denen ich arbeite, schreiben können und schreiben wollen und Lust auf Musik haben. Dann kommt eigentlich erst das andere. Ich bin niemand, der nur weil jemand sehr bekannt ist, da nach Features jagt. Ich liebe einfach diesen Moment im Studio, wenn man rumspringt und Ideen hat. Da hat auch jeder eine ganz eigene Art, muss ich sagen. Bourani ist ganz anders als Bausa und Bozza ist anders als Capi. Wir sind alle ganz unterschiedlich, aber im Studio sind wir dann doch irgendwie wie Kinder im Hort und das macht Bock. Wenns dann funzt und ich dann auch in anderen Bereichen gehört werde, dann ists natürlich total geil.

Insgesamt hat mich das Gefühl nicht losgelassen, dich beim Hören von „Album“ auf einem Roadtrip zu begleiten: „Take Off“, „Flugmodus“, „Paradies“, „Hotel California“, „Sehnsucht“ – eigentlich erinnert jeder Titel an Urlaub, dazu kommen teilweise Flamenco-Rhythmen… Hat dich da beim Songwriting das Fernweh gepackt?

Ehrlich gesagt war ich währenddessen gar nicht unterwegs, außer dass wir zum Glück ein Video auf Ibiza machen konnten. Da gabs pandemiebedingt einen kleinen Moment, wo das möglich war, danach wurden wir wieder eingeschlossen. (lacht) Vielleicht ist dadurch zu Hause eine große Sehnsucht entstanden. Die Melancholie spielt aber natürlich auch eine große Rolle. Ich bin ein totaler Fan von Melancholie, aber ich finde, dass sie in der Sonne noch viel geiler kommt. Ich bin ein total lebensfroher Mensch. Lebensfreude und Melancholie zusammen ist perfekt und das geht am besten mit so sonnigen Sachen. Da kann man auch mal einen Text schreiben, der ein bisschen edgy ist. Dazu habe ich dann auch bewusst Samples zu rausgesucht und auch so Weltmusik-Sachen gehört, von denen ich mich rhythmisch inspirieren lassen habe.

Was stellst du dir vor, wenn du an das Wort „Paradies“ denkst?
Gute Frage… Ich glaube, dass alles da ist, was man in dem Moment haben möchte – abgesehen natürlich von einem Ort, der einfach geil ist. Und etwas Leckeres! (lacht) Ein California King Size Bed kann auf jeden Fall auch paradiesisch sein!

Du warst auch vor kurzem erst bei World Wide Wohnzimmer…
Ja, die sind geil, die Jungs!

Welche Beziehung hast du denn zu deutscher Comedy?
Eigentlich finde ich wenig deutsche Comedy geil, weil es immer so einen Zugzwang hat oder die Gags so alt und ausgelutscht sind. Es wirkt oft sehr steif und gezwungen und man denkt so: Mein Gott, schon wieder? Manche Leute denken, wenn sie einen Hut aufsetzen und ne komische Stimme machen, sei das schon witzig. Ich finde Teddy Teclebrhan extrem gut, aber da bin ich auch voreingenommen, weil wir gut befreundet sind. Und bei ihm ist so viel Freestyle, der lässt so viel einfach laufen und das ist schon besonders. Und die „World-Wide-Wohnzimmer“-Jungs sind auch wirklich witzig, weil die auch echt schlagfertig sind. Ich habe da auch eine Weile gebraucht, bis ich die kapiert habe, aber die feuern einfach so schnell zurück, das ist echt gut. Hazel Brugger finde ich auch toll, die hat auch einen sehr schnellen Humor. Also an manchen Ecken gibts schon auch wirklich Gutes.

In der Pressemitteilung zum Album heißt es: „Clueso hat genau das wilde, aufregende, berauschende Sommeralbum geschrieben, was wir jetzt alle brauchen“ – jetzt ist es aber schon Winter… War der Release eigentlich früher geplant oder willst du lieber gezielt jetzt ein bisschen Wärme verbreiten, um die Winterdepressionen ein wenig in Schach zu halten?
Ich habe ehrlich gesagt nicht fix kalkuliert, wann genau das Album rauskommt. Es war dann einfach fertig und in Zuge dessen sind durch die Pandemie ja auch Sehnsüchte nach der Sonne gewachsen, dass ich sagen kann, dass das auf jeden Fall mein sommerlichstes Album bisher ist. Das hat einfach so einen geilen Vibe – auch durch die Beats von den Produzenten, die ja auch eher mal übern Teich gucken und nen internationalen Sound machen, die der Sache auch noch mal so einen speziellen Flavour geben. Jetzt kam das Album halt im Oktober und ich fänds geil, wenn es bis nächstes Jahr hält – klar. Dann gehen wir damit hoffentlich nochmal ordentlich auf Tour. Die Kulturbranche fühlt sich ja immer noch so ein bisschen an wie nach einer Sportverletzung und es wird alles leider noch eine Weile dauern, bis wir den „Normalzustand“ wieder haben, mit live und allem.

Wenn du jetzt in diesem Moment die Koffer packen würdest, um am Flughafen eine Last Minute Reise anzutreten, wohin würdest du dann am liebsten reisen?
Da habe ich schon eine ganz konkrete Idee und zwar möchte ich nach Florenz und Tauben gucken! Seit Wochen sehe ich das irgendwie wie so einen hellen Stern am Himmel, dass ich weiß, dass ich demnächst in Florenz sein werde, Zeitung lesen, Kaffee trinken, Tauben gucken. Das ist meine neue Maxime.

Was würdest du als erstes einpacken?
Eigentlich muss man sich da voll entspannen. Es ist scheißegal, wenn man mal was vergisst. Du wirst vor Ort auch gern mal irgendwas kaufen wollen und alles besorgen können. Ich finds total sinnlos, wenn Leute Duschzeug einpacken. Das gibt’s doch echt in jedem Hotel. Warum machen die das? Keine Ahnung, ich bin da echt minimalistisch und packe so wenig ein wie geht. Mir reichen für 14 Tage zwei Pullover, zwei Hosen.

Was vergisst du jedes Mal?
Eigentlich nüscht. Ich bin sehr gut im Reisen. Ich packe zwar sehr hektisch, aber auch sehr gezielt.

Was für ein Urlaubstyp bist du: Hotel und Pool oder eher Rucksack und Berge?
Da Urlaub für mich Entspannung heißt, bin ich eher so der Hotel-Pool-Typ. Strand und Cocktails. Aber ich bin jemand, der sich nie lange an einem Ort einbucht. Ich würde mich nie dazu hinreißen lassen, egal wie toll das Angebot ist, dass ich eine Woche für wenig Geld irgendwo rumhänge. Auf die Gefahr hin, dass es mir nicht gefällt, will ich abhauen können und um abhauen zu können, brauche ich leichtes Gepäck. Ich liebe es, ein Land neu zu entdecken und glaube, das Leben ist nicht in Time. Es braucht einfach ein bisschen Zeit, bis das auf dich zukommt, was du dir erhoffst. Und das ist meistens nicht das erstbeste Hotel.

Du hast für „Album“ mit ganz vielen unterschiedlichen Musiker:innen und Produzenten zusammengearbeitet. Wie lief das bei dir ab? Bist du trotz 20 Jahre Erfahrung im Business noch aufgeregt, wenn du Künstler:innen für ein Feature anfragst? Hast du auch Angst vor einer Absage?
Manchmal dauerts ewig, bis man zusammen kommt, weil alle so viel zu tun haben. Dann bleibts immer bei so einem „Call me back!“ und nichts passiert. (lacht) Und man ist immer aufgeregt. Also bei mir ist das immer so. Manchmal müssen mich da meine Freunde beruhigen und sagen: „Cluesn, du rufst da jetzt an und bist Clueso! Ist doch alles easy!“ Und dann rufe ich da halt an oder schreibe auf Instagram.
Trotzdem habe ich natürlich auch Angst vor ner Absage, insbesondere wenn man denkt, das könnte gut passen und man da schon so eine Skizze im Kopf hat, wie das klingen könnte. Wenn das dann nicht klappt, muss man echt überlegen, wie man das sonst irgendwie machen könnte.

„Ich hätte Bock, mal verkatert für jemand anderen einen total hohlen Schlager zu schreiben“

Und hats dann im Studio auch schon mal gar nicht harmoniert?
Nee ehrlichgesagt nicht. Das ist auch ein bisschen das, was ich meine: Wenn Leute selbst schreiben und auch Bock haben zu schreiben, man bei guten Produzenten ist – denn das spielt auch eine große Rolle, die sind ja so ein bisschen unsere Kindergärtner – kann eigentlich nix schief gehen. So hat man immer einen Antrieb und auch ein bisschen eine Aufsicht. Es gab natürlich schon mal Sessions, wo man so dachte: Diggi, kommt da noch was? Wie kann ich helfen? Aber ich habe auch einfach so viele Ideen und das steckt ja vielleicht auch an. Bei den Features auf „Album“ wars einfach grandios und hat einen riesigen Bock gemacht.

Was ist noch so ein Traum-Feature von dir, zu dem es bisher noch nicht kam?
Das ist immer so ein bisschen schwierig zu sagen, denn der Zufall ist schon auch ein guter Freund von mir! (lacht) Ich höre einfach so viel und so gerne verschiedene Sachen und wenn ich was cool finde, denkt ein Teil von mir direkt an ein Feature; ein anderer Teil denkt einfach nur, dass es geil ist und braucht das vielleicht nicht. Es gibt so viele Acts da draußen, die grandiose Musik machen und ich muss jetzt nicht mit jedem ein Feature haben. Gleichzeitig denkt man trotzdem immer: Ah, geile Stimme. Um ehrlich zu sein, ist es aber auch oft der Song, der angibt, wohin es geht. Jetzt zurzeit schreibe ich sehr beatlastig, und dann denke ich: Jetzt ein 16er von nem Rapper wäre nice.

Was ist so ein klassischer Guilty-Pleasure-Song von dir, den du richtig laut unter der Dusche mitträllerst?
Hmm, das wird irgendein Tina-Turner-Song sein. „What’s Love Got to Do…“ (singt)

In welcher Musikrichtung würdest du dich nie verirren?
Schlager – zumindest als Clueso. Aber ich könnte mir durchaus vorstellen, einen Schlager zu schreiben, weil das so hirnverbrannt ist. Vielleicht wärs mir auch zu stumpf und ich würde es gar nicht hinkriegen, wer weiß das schon? (lacht) Aber ich hätte total Bock mal nach dem Aufstehen, vielleicht noch verkatert, für jemand anderes einen total hohlen Schlager zu schreiben. Das wäre doch geil. Aber als Clueso – nein. Es ist manchmal auch sehr anstrengend, Cluseo zu sein.
Zumindest was das Texten angeht.

Sind deine Erwartungen an dich selbst da so hoch?
Ja schon. Ich suche immer nach kleinen Doppeldeutigkeiten…

Am 28. Septemberkommst du ja auch zu uns in die Region. Kannst du dich noch ein ein Konzert in Braunschweig erinnern?
Nee, nicht so richtig, aber ich glaube, ich hatte dort meinen ersten Battle of the Year-Besuch gehabt!

Willst du sonst noch was loswerden?
Ich hoffe, wir sehen uns dieses Jahr alle. Mich muss man jedenfalls nicht überreden, auf die Bühne zu gehen. Ich habe einfach so Bock drauf!

Fotos Christoph Koestlin

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Louisa Ferch

Geschrieben von Louisa Ferch

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