Die nackte Wahrheit: Ly Da Buddah

Kennt ihr eigentlich schon…

… Rave-Dorfschamane Ly Da Buddah?

Ein Leben für den Rave – als Drum’n’Bass-Botschafter hat Oliver Lüddecke sich weit über die Stadtgrenzen hinaus einen Namen in seiner Szene gemacht. Die rauschhaft-rasenden, basslinegetragenen Synthetik-Beats legt er als Ly Da Buddah nun schon seit 25 Jahren auf, veranstaltet Partys, produziert Tunes, ist Labelboss und auch sonst ein Subkultur-Tausendsassa: Neben der Musik hat der heute 45-Jährige mal ein Plattengeschäft betrieben und sogar selbst Vinyl gecuttet, ist Herausgeber eines Fanzines und hat mit Modezar Dennis Gabbana kürzlich das Street-Artund Kunst-Kollektiv Monkeejuice ins Leben gerufen. Eigentlich hätte der gebürtige Braunschweiger im Corona-Jahr 2020 sein 25-jähriges Bühnenjubiläum gefeiert, eine Riesentour gespielt und epische Bookings mit einer Jägermeister- Pipeline von Wolfenbüttel direkt in den heimischen Brain Klub organisiert. Aus den Plänen wurden schließlich unzählige Studioproduktionen, die teils auf namhaften internationalen Labels released wurden. Am 25. März erscheint Lüddes vierter Corona-Longplayer – der Abschluss seiner Pandemie-Album-Quadrilogie, denn bald geht es hoffentlich wieder auf die Bühne, um DJ-Sets wie Rituale zu liefern, in denen der Zeremonienmeister seine Meute anheizt und mittanzt, die Regler runterzieht und laut losjubelt, dann bis über beide Ohren grinst, wenn sein mystisches Bass-Rezept wieder funktioniert und der Club-Kessel überkochend und schäumend durch die Nacht blubbert.

 

Wie kamst du überhaupt zu Drum’n’Bass – eher eine Randerscheinung elektronischer Musik? Hätte es nicht genauso gut Techno werden können?
Ich hatte meinen Erweckungsmoment beim Tanzen auf einer Party. Buzz T, mit dem ich Motagen Sound gegründet habe, hat früher auch schon Jungle/DnB gehört. Ich brauchte ein Jahr länger, um in einem verzückten Moment die Energie zu spüren. Wir reden hier von Anfang/Mitte der 90er, da war es auf jeden Fall eine Randerscheinung, heute sieht es ganz anders aus. Unsere Musik wird auf allen großen Bühnen für elektronische Musik gespielt. Ich mag auch Techno/House genauso wie Soul, Jazz, Reggae, Punk, Trip Hop, Cumbia, Ska und und und. Wenn man sich länger mit einer Musikrichtung befasst, findet man immer ein paar Tunes, die einem gefallen. DnB hat mich am meisten gekickt, macht es noch und das wird auch immer so bleiben.

Warum ist DnB in Braunschweig eigentlich so ein großes Ding?
Das Ganze hat früh gestartet und alle Beteiligten haben sich über die Jahrzehnte gegenseitig respektiert und abgesprochen. In vielen anderen Städten gab es eine große Szene, die sich selbst zerstört hat. Hier gab es tolle Promoter, verrückte Künstler und das beste Publikum der Welt. Wenn eine Szene sich über 25 Jahre mit konstanten Events, internationalen Bookings, viel Liebe, bunter Kultur und Feiergier hält, ist das schon einmalig. Meine Gäste aus anderen Ländern staunen immer wieder. Unsere schöne Löwenstadt ist auf der DnB-Landkarte international bekannt und wird ausgezeichnet bewertet. Danke an alle Beteiligten!

Was bedeutet Braunschweig für dich?
Meine Familie. Sowohl die klassische als auch meine Feierfamilie. Ich bin hier aufgewachsen und mag die Stadt, die Umgebung, die Leute, … Jetzt müsste eigentlich das Bier kommen. Aber ich trinke lieber Schnaps.

Ab wann war für dich klar, dass du niemals einen „normalen“ Job machen wirst?
Seitdem ich das erste Mal auf einer Tanzfläche in einem schmutzigen Club stand, indem es richtig abging.

Hast du mal überlegt ins Rave-Mekka Berlin zu ziehen oder nach Hamburg oder so? Schließlich hast du ja auch international Erfolg und Bookings.
Warum bist du hiergeblieben?

Ich war ein paar Mal weg, zum Studieren in Wuppertal, eine Zeit in Frankreich. Großstädte sind natürlich ein Aushängeschild. Bei einer Ukraine-Tour stand zum Beispiel auf jedem Flyer und jedem Poster Berlin hinter meinem Namen, obwohl die Veranstalter alle wussten, dass ich aus Braunschweig komme. Das passiert mir häufig im Ausland. Ich mag urbane Gegenden, Schmelztiegel verschiedenster Elemente, ich mag auch abgelegene Orte. Ich reise unglaublich gerne und viel. Aber es gibt immer den Zeitpunkt, an dem ich mich enorm freue, wieder nach Braunschweig zu kommen. Ich bin sehr froh hier meine Homebase zu haben.

Wie kann man am besten mit der unerschöpflichen Ausdauer
der Rave-Kids mithalten?

Ein paar Mal im Kreis drehen, laut schreien und einfach das Gefühl genießen, gemeinsam zu leben.

Bist du nicht langsam zu alt für den DJ-Lifestyle und fürs Raven? Wie lange willst du dir als DJ noch die Nächte um die Ohren schlagen?
Das fragen mich viele meiner gleichaltrigen Freunde. Ich habe wesentlich mehr Lachfalten im Gesicht als sie und strahle von oben bis unten. Aus dem Jungbrunnen werde ich ewig weitertrinken.

Spürst du das Alter manchmal im Körper nach einer durchzechten Nacht?
Wenn ich wieder zu mir komme, ja. Die Regenerationsphase dauert etwas länger als vor 20 Jahren.

Was machst du als Ausgleich zu all dem Exzess, Schlafmangel und der schlechten Clubluft?
Gutes Essen. Sport. Exzess und Clubluft sind auch Medizin, die schmeckt manchmal bitter, am Ende hilft sie mir aber mehr als alles andere.

Und andersrum? Was machst du in diesen zwangsberuhigten Corona-Zeiten als Ausgleich zur ganzen Ruhe und Entspannung?
Das ist wesentlich schwieriger. Das Portemonnaie, die Geduld, das ist eine ziemlich harte Zeit. Nicht nur die Seele leidet. Ich lenke mich mit Musik ab, habe letztes Jahr drei Alben, mehrere EPs und Singles rausgebracht. Im Schnitt sieben Tage à zwölf Stunden gearbeitet, also Musik produziert. Nebenbei lecker kochen, nicht den Körper vernachlässigen. Ich gehe gerade viel wandern. Und ab und zu halt alleine oder zu zweit durchdrehen.

Das Schönste an der Selbstständigkeit?
Niemand sagt dir, was du zu tun hast.

Und das Schlimmste?
Corona.

Bereust du die Selbstständigkeit manchmal?
Nie.

Was kannst du überhaupt nicht?
Ich bin überhaupt kein guter Handwerker.

Wofür brauchst du am meisten Disziplin?
Kein Handy mit auf die Toilette zu nehmen.

Wie ist es für dich, als Kreativer auch ein guter Geschäftsmann sein zu müssen? Leidet da nicht die Kreativität?
Schwierig. Heutzutage hast du vielfältige Möglichkeiten dich selbstständig zu vermarkten. Dadurch ist man auf der einen Seite unabhängiger, auf der anderen Seite leidet die Kreativität. Ich habe eine ganz gute Balance gefunden.

Welche ist deine erste gekaufte Schallplatte? Hast du die noch?
Da bin ich mir nicht ganz sicher. Ob es eine Kassette oder eine Platte war… Ich glaube Terence Trend D´Arby. Das war ein Album auf Vinyl, was leider irgendwann verloren gegangen ist.

Hand aufs Herz: Hast du schon mal illegal runter geladene MP3 aufgelegt?
Ich habe das Glück, als Dj und wegen des Headliner Magazins bemustert zu werden, also Lieder als Promo kostenlos zugeschickt zu bekommen. Als das noch nicht der Fall war, gab es noch keine MP3s und ich habe Schallplatten gespielt.

Vinyl kommt zurück. Was sagst du mittlerweile zur
Sync-Button/Vinyl-Diskussion?

Es freut mich sehr, dass Vinyl zurückkommt. Ich hatte jahrelang nebenbei einen Plattenladen. Als Medium zum Sammeln von Musik finde ich es nach wie vor am besten. Wer wie spielt, ist mir egal, die Diskussion hat einen Bart. Was man aus dem Auftritt macht, ist wichtig, wie du das anstellst, nebensächlich.

Jeder DJ hat schonmal die Tanzfläche leergespielt. Wie gehst du damit um?
Ich gehe ans Pult und wechsele den Unglücklichen oder die Unglückliche ab.

Hinterm DJ-Pult stehst du keinesfalls still. Gehört eine Show heutzutage dazu? Reicht die Musik nicht mehr?
Früher wurde ich dafür angefeindet, dass ich abzappele und rumbrülle. Die letzte Zeit vor Corona wurde das Verhalten eher abgefeiert. Der Zeitgeist ist mal so, mal so. Das ist bei jedem Gig anders, abhängig von der Prägung und Erwartungshaltung des Publikums. Ich liebe Musik und lass mich gerne gehen – unabhängig vom Trend.

Hast du noch Lampenfieber? Wie gehst du damit um?
Ich habe jedes Mal das gleiche Gefühl, was ich beim ersten Mal Auflegen hatte. Das ist eine positive Aufregung, nicht nervös, eher als ob alle Zündwerke starten. Ich genieße es.

Wie hälst du den Abend durch, wenn du kacke drauf bist? Hilft Alkohol?
Ab und zu gibt es auch eine Routine beim Auflegen. Die Musik hilft am meisten. Alkohol ist auch gut.

Kann man besoffen oder nüchtern besser auflegen?
Kommt auf die Gewöhnung an.

Rave und Drogen – dein Kommentar dazu?
Gehört genauso zusammen wie Gesellschaft und Drogen.

Die Clubs haben zu Beginn der Pandemie als Erste geschlossen und werden die Letzten sein, die wieder öffnen. Wie stehst du dazu?
Es ist nachvollziehbar, das Clubs als Erste schließen mussten. Viele haben es ja auch alle freiwillig gemacht, teilweise sogar eine Woche bevor die Regeln es vorgegeben haben. Es geht gerade viel verloren. Clubs und Festivals haben eine enorm große soziale und kulturelle Funktion. Darüber hinaus ist die Eventindustrie der sechstgrößte Wirtschaftsfaktor. Es muss ein Wille entstehen, hier Perspektiven zu entwickeln. Die Hilfen für Clubs, Angestellte und Künstler müssen anders geregelt werden. Dazu muss sofort eine produktive Diskussion entstehen, begleitet von einer wissenschaftlichen Expertise, ob kleine Clubs zum Beispiel mit Soforttests und besonderen Hygienekonzepten aufmachen könnten; über Freiflächen, die im Sommer von den Kommunen vergeben werden. Hilfe zur Selbsthilfe. Immer angepasst an die jeweilige pandemische Situation. Da ist leider, leider noch viel Spielraum nach oben und ich sehe kaum Bewegung seitens der öffentlichen Stellen. Die Clubs sind seit mehr als zwölf Monaten geschlossen! Tausende Menschen haben dadurch bereits ihre Existenzen verloren. Ich erwarte hier mehr Flexibilität oder auf der anderen Seite ein ebengleiches Schließen riskanter Wirtschaftszweige, wie zum Beispiel der großen Schlachthöfe wie Tönnies, des Profisports etc..

Wie ist es im Club, so ganz ohne Gäste?
Ich bin ja ab und zu in Clubs, um von dort über das Internet zu spielen. Diese besonderen Orte wirken ohne Menschen eigenartig nackt und kalt. Sobald wir uns wieder mit mehreren Menschen dort treffen können, werden wir dem ganzen schnell wieder Leben einhauchen.

Wie wird deine erste Clubnacht nach Corona ablaufen?
Wild!

Dein erster Tresen-Drink nach dem aktuellen Lockdown?
Jägermeister. Vielen Dank für die finanzielle Unterstützung in
diesen schwierigen Zeiten!

Was hörst du zum Einschlafen?
Nach Partys häufig ein Piepen, ansonsten nichts.

Welcher Song soll auf deiner Beerdigung laufen?
Alle meine Lieder. Dazu soll sieben Tage am Stück gefeiert werden und niemand darf traurig sein.

Was würdest du tun, wenn du nochmal 18 wärst?
Exakt das gleiche.

Was für Menschen kannst du nicht ausstehen?
Ich mag Menschen.

Welche Gabe würdest du gerne besitzen?
Fliegen können – ohne Hilfsmittel.

Dein Rezept für den Weltfrieden?
Grenzen abschaffen. Militär abschaffen. Geld anders verteilen.

 

Fotos Ly Da Buddah

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Benyamin Bahri

Geschrieben von Benyamin Bahri

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