Aufruhr im Hühnerstall

Ein Musikvideo zum Umblättern: Im September kommt mit „Der Habicht und der Hahn“ ein Kinderbuch nach einem Song von Käptn Peng in die Regale.

Insgeheim angesiedelt in der Welt des Sprechgesangs gehört auch Robert Gwisdek aka Käptn Peng irgendwie in die Schar deutscher Rapper. Zusammen mit seinem Bruder musiziert er bereits seit 2012 in der Gruppe Käptn Peng & die Tentakel von Delphi, allerdings entspricht ihr Hip-Hop ganz und gar nicht dem aktuellen Status Quo des Genres. Getrommelt wird auf Haushaltsgeräten, gerappt wird über Socken und nicht selten driftet Peng ab in philosophische Sphären und Wortlabyrinthe, an dessen Ende eine wertvolle Botschaft wartet. Ebenso tiefgründig schrieb Robert seine Gedankenwelt 2014 in seinem Debütroman „Der unsichtbare Apfel“ nieder. Sein Talent für kunstvolle Ausdrucksformen stellte Robert darüber hinaus in Kinofilmen wie etwa „13 Semester“ oder „3 Zimmer/Küche/Bad“ unter Beweis, in denen das Allround-Talent mitunter die Hauptrolle spielte. Daneben macht Robert auch eigene Filme.

 

 

2015 hat der Käptn des alternativen Rap für den Kinderlieder-Sampler „Unter meinem Bett“ einen Beitrag getextet: In „Der Habicht und der Hahn“ erzählt der Wortjongleur die queere Liebesgeschichte zweier Vögel – auf dem ersten Blick verfeindet und gänzlich unterschiedlich; auf den zweiten allerdings im Kern gleich und voller Zuneigung füreinander. Diese Geschichte einer außergewöhnlichen Begegnung von Hahn und Habicht, deren Liebe jedwede Grenzen überwindet, gibt es nun auch zum Umblättern. Die Illustratorin Melanie Garanin hat sich dem Song angenommen und ein bezauberndes Kinderbuch gestaltet, das Kindern ab fünf Jahren vermittelt: Alte Regeln dürfen aufgebrochen werden – erst recht, wenn es um die Liebe geht. Das 32-seitige Buch erscheint am 14. September bei Huckepack/Mairisch. Wir haben vorab mit Robert Gwisdek über das Erwachsenwerden und die Liebe philosophiert und herausgefunden, was sich in den Tiefen seiner Hosentasche verbirgt.

Robert, der Song zum Buch ist von 2015. Wie ist daraus jetzt ein Kinderbuch geworden?
Da gibt es so ein Pärchen, das hat den kleinen Kinderbuchverlag Huckepack bei Mairisch gegründet und die bringen ganz, ganz tolle und sehr besondere Kinderbücher raus. Die haben das Lied gehört und gemocht und dann gefragt, ob man da nicht was draus machen könnte. Sie haben sich vorgestellt, dass das wegen der Thematik ein schönes Kinderbuch sein könnte, weil es ja auch schon eine spezielle Geschichte ist. Wir haben dann zusammen eine Weile gesucht, wer uns da gefällt und dann sind wir auf Melanie Garanin gestoßen.

Wie eng haben du und Melanie dann zusammengearbeitet?
Wir haben telefoniert und ich habe ihr ein bisschen beschrieben, wie ich die Charaktere empfinde und was ich so mag. Darüber hinaus habe ich ihr aber sehr viel freie Hand gelassen. Sie konnte da ihr eigenes Ding finden. Was ich aber eben schön finde, ist, wenn die Charaktere unterschiedlich zueinander sind. Wir haben uns auch viel über Kinderbücher an sich ausgetauscht und welche wir früher mochten und mögen.

Was war denn dein Lieblingsbuch als Kind?
Ich glaube, „Pettersson und Findus“. Da war ich zwar schon acht oder so, aber das hat mir sehr gefallen. Vielleicht war das auch eine Inspiration für „Der Habicht und der Hahn“ …

Wie würdest du denn das Buch beschreiben – ein reines Kinderbuch oder ein Buch auch für Kinder?
Das ist ganz klar für Kinder. Aber ich finde, Kinderbücher sind immer dann gut, wenn sie auch Erwachsenen Spaß machen können. Dadurch, dass die Geschichte quasi auch eine gleichgeschlechtliche Liebe beschreibt, kann das natürlich auch für Erwachsene berührend sein und die können es auch genießen, ihren Kindern das vorzulesen oder sie lesen zu lassen.

Teilst du diese Message, die du in dem Fall ja vor allem an Kinder richtest, aus deiner Verantwortung als Künstler heraus oder ist es dir ein persönliches Anliegen?
Ich glaube, dass das nicht richtig voneinander zu trennen ist. Das eigene Interesse und die Verantwortung müssen Hand in Hand gehen, sonst wird beides leer. Es ist eher ein Lauschen, was in einem selbst für Impulse kommen und welche nicht.

Im Buch geht es auch darum, dass Feinde sich kennenlernen und liebhaben und man sich eigentlich gar nicht als Feind ansieht. Wie schaffst du es im Alltag, „Feinden“ gegenüber offen zu sein und Vorurteile abzulegen?
Das ist relativ einfach, wenn man nicht emotional verwickelt ist, und relativ schwierig, wenn man emotional verwickelt ist oder sich angegriffen fühlt. In Momenten, in denen ich merke, dass ich mich in meiner Reaktion auf meinen Gegenüber verstricke, ist es meistens so, dass ich einfach kurz Zeit brauche und dann merke: Okay, ich bin gerade total auf Abwehr gegangen, dabei könnte ich doch eigentlich durch die Öffnung oder das Integrieren meines Gegenübers auch viel mehr darüber erfahren, warum derjenige denkt, wie er denkt und was da eigentlich los ist. Das heißt, ich öffne mich meist im Nachhinein und fange dann an, nochmal mehr Fragen zu stellen. Fragen stellen ist, glaube ich, ein guter Weg.

Im Teaser zum Buch heißt es: „Es muss nicht immer nach alten Regeln laufen“ – welche dieser „alten Regeln“ stoßen dir im Alltag sauer auf?
Wie wir Gesellschaft definieren, die Schere zwischen Arm und Reich oder der Klimawandel zum Beispiel. Dass man da einfach sagt: „Sorry, da kann man leider nix dran ändern, weil die Marktabläufe nun mal so sind, wie sie sind.“ Dass wir glauben, dass wir das nicht ändern können, obwohl wir auf den Mond fliegen können. Das finde ich sehr traurig.

Dein Song ist ein Appell an die unbedingte Richtigkeit der Liebe. Wenn man sich so auf Social Media umschaut, kommt es einem so vor, als würde dieser Appell immer mehr verloren gehen. Wohin ist die Liebe verschwunden?
Ich glaube nicht, dass die Liebe unbedingt weniger geworden ist. Ich glaube eher, dass Hass, Mobbing oder Verurteilung viel mehr Kanäle haben, sich auszudrücken. Viel mehr Kanäle als früher. Man kann alles kommentieren oder sich auch persönlich die ganze Zeit schreiben – so spürt man auch immer mehr davon. Natürlich ist auch zu merken, dass es diese verhärteten Seiten überall auf der Welt gibt – seien es jetzt Sunniten und Schiiten, Israelis und Palästinenser oder Republikaner und Demokraten. Das sind alles so Sachen, wo man das Gefühl hat: Oh man, wie sollen die sich denn jemals wieder vertragen? Die hassen sich wirklich aus tiefster Seele, geben sich die Schuld an allem und haben sich das argumentativ schon fertig zurechtgelegt, wieso ihre Seite richtig sei. Das ist wirklich komplex – da weiß ich auch nicht, wie das zu lösen sein könnte. Aber im Privaten, und ich glaube, da fängt sowas immer an, sehe ich eigentlich viel mehr Väter, die sich liebevoll ihren Kindern widmen; viel mehr Paare, die eine Paartherapie machen und sich Mühe geben, den anderen und ihre Ängste zu verstehen; viel mehr Öffnung gegenüber den verletzbaren Seiten in einem. Da gibt es schon einiges, wo ich den Menschen beobachte und denke: Ah ja, da wird Verantwortung übernommen, Sachen aufzuräumen, die für die Generationen vor uns gar kein Thema waren. Sachen, die da weggelacht oder als schwach empfunden wurden – zum Beispiel was diesen therapeutischen Ansatz, Heilung oder Spiritualität oder sowas angeht. Da sehe ich schon viel, dass eine Art Mitgefühl und eine Weichheit wächst, die als schön empfunden wird und einen Raum bekommt. Das ist doch schon eine Weiterentwicklung.

Wirst du viel angefeindet von Leuten, die deine Texte nicht verstehen oder verstehen wollen?
Ich lese das gar nicht und halte mich im Internet nie da auf, wo ich als Künstler stattfinde. Wir sind da auch ziemlich Old School unterwegs, was Facebook und Instagram und so angeht. Aber wenn ich YouTube-Videos von anderen angucke, sehe ich da viele Kommentare, die eigentlich voller Begeisterung und Wertschätzung sind. Klar, ich weiß, dass es da auch super harte Sachen gibt, aber ich habe das Gefühl, das gleicht sich irgendwie aus. Und wenn man ein bisschen versteht, wer sich da überhaupt die Zeit nimmt, so einen hasserfüllten ­Kommentar dazulassen – das wirkt dann zwar wie viele, dabei sind es nur die Leute, die scheinbar genug Zeit in ihrem Leben haben, sich zu entscheiden, da in so eine Kommentarspalte zu gehen und mal ihre Meinung zu sagen, die negativ ist. Das ist wahnsinnig laut, aber es ist ein viel geringerer Anteil an Menschen, die das wirklich machen, als wir denken. Nur, weil die anderen einfach still sind; weil die das angucken und eine leichte oder warme Meinung haben. Die haben oft gar nicht so den Drang, da jetzt so ‘ne Kommentarspalte vollzuschreiben – so denke ich zumindest.

In deiner Musik setzt du dich ja auch mit dem Erwachsensein auseinander. In deinem Song „WobWobWob“ rappst du zum Beispiel: „Wann wird der Mensch denn endlich erwachsen?“. Was denkst du, ist eigentlich der fundamentale Unterschied zwischen Kindern und Erwachsenen? Die Message des Buchs ist ja für Erwachsene genauso relevant …
Das Ich durchläuft ja unterschiedliche Stadien – sagt man zumindest aus psychologischer Sicht. Am Anfang ist man wie verschmolzen mit seinen Eltern und dann beginnt diese Ich-Werdung, in der man erstmal lernt, sich abzugrenzen und auf sich zu schauen – das äußert sich zum Beispiel durch Wörter wie „meins“. Es geht dann eben vor allem um die eigenen Bedürfnisse und je erwachsener man wird, desto mehr spürt man, dass man mit den Bedürfnissen der anderen auch verbunden ist. Dadurch rutscht man automatisch in eine viel verantwortungsbewusstere Position. Die Reifung geht dann von diesem starken Ich wieder ein wenig weg, sodass man nicht mehr nur noch schaut, wer man ist und wie man sich selbst helfen kann, sondern auch in den Kollektivgedanken zurückgleitet. Ein erwachsener Mensch hat in meinen Augen die Fähigkeit, sich selbst Mutter und Vater zu sein. Das heißt, auch für die eigene Weiterentwicklung sorgen zu können, sich selbst ernähren zu können, all diese basischen Dinge. Die Verantwortung für sich übernehmen und den Weg, der das für einen bedeutet, für sich zu suchen. Jeder geht diesen Weg auf unterschiedliche Art und man muss seinen eigenen finden und der erwachsene Mensch tut das. Der geht auf diese Reise, ohne dass er weiß, wo er landen wird. Ich glaube allerdings, dass wir ein wirkliches, tiefes Erwachsenwerden noch gar nicht entdeckt haben.

In deinem Lied „Sie mögen sich“ liebt sich ein Fuchspärchen und einer der Füchse will sich eines Tages in einen Albatros verwandeln und trennt sich. Handelt „Sie mögen sich“ in Wirklichkeit auch von einer queeren Geschichte und Verwandlung?
Auf jeden Fall! Es ist nicht konkret als queere Verwandlung gedacht, aber es ist sozusagen eigentlich die Verwandlung in das Vielhafte. In das, was all das auch beinhaltet. Also das, was quasi nicht mehr in eine genormte Schublade passt. Aber die Parallelen sind auf jeden Fall da. Da könnte man echt auch ein schickes Bilderbuch draus machen – da waren wir irgendwie vielleicht manchmal noch nicht so richtig smart! (lacht)

Was ist denn eigentlich dein Lieblingsvogel?
Hmm, das ist schwer. Ich glaube, der Graureiher. Das ist aber schwierig – ähnlich wie bei Menschen. Da gibt es so viele, die einfach krass und gerade durch ihre Unterschiedlichkeit einfach der Wahnsinn sind. Aber ich wohne in Brandenburg aufm Dorf und da gibt es viele Graureiher und die sind echt schön. Die haben eine Flügelspannweite von 1,80 Meter oder so. Das finde ich sehr beeindruckend.

Deine Texte sind immer unglaublich bildhaft. Wie hilft dir die bildliche Sprache beim Texten?
Etwas Bildliches zu erzeugen, ist eigentlich immer mein Wunsch, mein Poesiebegriff. Ich brauche die Bildlichkeit, denn ich finde, Musik- oder Poesiesprache muss ein neues Bild in einem schaffen oder erwecken und das funktioniert am besten durch eine Verbindung von grafischen Elementen, die man sich tatsächlich auch vorstellen kann, damit es nicht so abstrakt bleibt. Es ist eh schon immer sehr abstrakt, was ich auszudrücken versuche. Deswegen füttere ich das dann gerne mit konkreten Bildern, weil man mit Sprache einfach so herrlich Dinge kombinieren kann. Oft betritt das aber auch einfach so einen Bereich der Intuition und da kann man eigentlich nur die Blumen pflücken, die da nun mal wachsen.

Was hast du jetzt in diesem Moment in der Hosentasche?
Warte, ich gucke mal eben schnell nach … Ein Taschentuch, ein Feuerzeug, eine Wollmütze – okay, ich weiß nicht, was die hier in meiner Tasche macht … Und ein Spielzeugflugzeug. Das habe ich auf der Straße gefunden und mitgenommen, weil ich dachte, dass man das sicher nochmal gebrauchen kann.

Wann bist du noch so richtig Kind?
Beim Tischtennisspielen. Ich mache das nicht häufig, aber wenn, dann werde ich irgendwie seltsam motiviert! (lacht) Ich bin aber natürlich auch oft Kind mit meinen Kindern. Die sind drei und vier Jahre alt.

Also noch einen Ticken zu klein für das Buch, aber die Message kriegen sie von dir ja sicherlich sowieso mit …
Ja, die kriegen sie auf jeden Fall eingeträufelt – so oder so! (lacht)

Grafiken Huckepack Verlag
Fotos Marie Höflich, Privat, Huckepack Verlag

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Louisa Ferch

Geschrieben von Louisa Ferch

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