Der Münchner Rapper spricht mit Steffen Tatz über sein neues Album, das Kino und die Entwicklung von Rap.
Warum heißt das Album „Wunderbare Welt“?
Mir hat es gut gefallen, in der heutigen Zeit eine Platte rauszubringen, die „Wunderbare Welt“ heißt, weil es auf den ersten Blick so gar nicht passt. Alles ist grad scheiße: Krieg, Pandemie, Inflation, Klimakatastrophe. Und andererseits passt es dann doch. Es passieren trotz all dieser Krisen auch schöne Sachen und irgendwie ist es trotz allem eine wunderbare Welt, in der wir leben, auch wenn es sich gerade oft ganz anders anfühlt. Gerade wegen dieser Ambivalenz fand ich es passend, eine Platte so zu nennen, auch um mich an diese Utopie einer wunderbaren Welt zu erinnern.
In den YouTube Kommentaren zum Musikvideo „Wunderbare Welt“ schreibt jemand: „Hoffe es ist nicht das letzte Album, bevor er als Tatort-Kommissar keine Zeit mehr findet.“
Das ist ein Running Gag. 2015 habe ich mal gerappt „scheiß auf Rap, in zehn Jahren bin ich Tatort-Kommissar“. Daraufhin gab es dann eine Petition von ein paar Fans, die mich unbedingt als Tatort-Kommissar sehen wollten, aber ich glaub, das war nicht ganz ernst gemeint.
Ist das Musikmachen also wichtiger als die Schauspielerei?
Ja, aktuell schon, aber das ist auch immer nur eine Momentaufnahme. Außerdem glaube ich, dass meine große Zeit als Schauspieler erst noch kommen wird.
Möchtest du denn gerne einen Tatort-Kommissar spielen?
Absolut. Allein um den Gag auszuerzählen.
Kennst du das Musikvideo von Flynt und Orelsan zu dem Song „Mon pote“?
Ja klar. Ich habe das damals sehr gefeiert und wollte auch selbst immer gerne so ein Video drehen. Aber zu der Zeit, als das rauskam, war sowas noch super aufwändig und teuer zu produzieren, jetzt ist das alles viel billiger geworden, deshalb hab ich mir gedacht „Jetzt oder nie“. Wir haben im Gegensatz zum Video von Flynt und Orelsan aber noch eine weitere Ebene reingebracht und Szenen im Kino gedreht, weil wir das Video nicht einfach kopieren wollten.
Wann warst du zuletzt im Kino?
Gestern Abend. Ich gehe gerne und oft ins Kino. Ich habe „Sonne und Beton“ gesehen. Der war mega gut, ich war richtig geflasht.
Das Cover von deinem neuen Album zeigt ein Kino und auch in dem Musikvideo zum Titelsong spielt das Kino eine zentrale Rolle. Welche Symbolik verbindest du damit?
Wenn man eine Platte macht, ist eine zentrale Frage, wie man das optisch gestalten will. Ich habe diesmal wirklich lange darüber nachgedacht. Oftmals hadere ich mit dem Titel, diesmal war die Frage eher: Was will ich visuell machen? Es gab zu viele Ideen und auch Entwürfe.
Das ist dem Titel „Wunderbare Welt“, den ich schon relativ früh hatte und auch behalten wollte, geschuldet. Er passt einfach auf jedes Foto und jedes Bild der Welt. Das hat also die Coversuche etwas erschwert.
Ich bin dann beim Kino gelandet, weil ich dieses Universum sehr mag. Für mich hat das Kino viele Ebenen, zum Beispiel ist es oft eine Realitätsflucht in eine andere Welt für zwei Stunden.
Ich mag die Stimmung von diesem Bild sehr, weil wir bewusst ein paar Brüche eingebaut haben. Der angekündigte Film heißt zwar „Wunderbare Welt“, aber die Realität vor dem Kino sieht ziemlich trist aus.
Die Cover-Gestaltung erinnert ein bisschen an Künstler des amerikanischen Realismus wie zum Beispiel Edward Hopper.
Ich hatte ursprünglich tatsächlich eine Künstlerin beauftragt, ein Gemälde im Stil von Hoppers „Nightawks“ zu malen. Beim Cover, das es jetzt geworden ist, ist das schon nicht mehr so konkret.
Inhaltlich geht es auf dem Album ums Loslassen, etwa in dem Song „Danke dass du mich verlassen hast“ oder um die Abgrenzung zum Außen. Ist das alles wirklich introspektiv oder einfach nur sehr zeitgeistig?
Ich habe nicht das Gefühl, dass Abgrenzung eine zeitgeistige Haltung ist. Vielmehr scheint es doch so, dass man zu allem immer eine unfassbar fundierte Meinung haben muss und viele Menschen sehr schnell auf der Palme sind, wenn jemand einer anderen Ansicht ist. Ich will mich davon auch gar nicht ausnehmen, ab und zu passiert mir das auch. Aber als ich den Song „Wunderbare Welt“ geschrieben habe, habe ich schon gedacht: Was ist denn da auf Twitter los? Merkt ihr überhaupt noch, dass ihr euch jeden Tag über Scheiße aufregt? Manchmal ist das einfach too much.
Du fragst dich selbst: „Warum bin ich Ende dreißig und mein Job ist deutscher Rap?“ Ist das schon Sinnkrise oder noch Humor?
Beides. Das lässt sich nicht immer so eindeutig voneinander trennen. Sinnkrise ist ein großes Wort, aber natürlich stellt man sich diese Frage immer mal wieder. Noch geht es aber. Ich habe ja noch eine Generation über mir, die auch immer noch aktiv ist.
Es ist auf jeden Fall ein kleiner Spagat und nicht so leicht. Rapmusik lebt einfach sehr durch die Ignoranz der Jugend. Jüngere Musikhörer:innen sind oft schon sehr emotionale Fans, die auch in einem ganz anderen Pensum Musik konsumieren. Wenn man so jung ist, hat man oft noch eine engere Bindung an die Lieblingskünstler:innen.
Das ist das Problem, wenn man Musik für Erwachsene macht, die aber keine Platten kaufen und im Stream ein Album nur einmal anhören. Musik ist für die nicht mehr so identitätsstiftend; andere Sachen werden wichtiger. Deswegen ist es ein Vorteil, wenn man ganz junge Leute anspricht. Aber ich will mich nicht beschweren, bei mir ist alles cool.
Du arbeitest schon lange mit Dexter zusammen, aber auch mit Torky Tork, wie läuft bei euch die Arbeitsteilung?
Vieles entsteht in Sessions, wo man nebeneinander sitzt und der Produzent den musikalischen Part übernimmt. Aber ich bringe mich inzwischen mehr ein als früher und habe auch mal Samples dabei. Bei der Platte jetzt haben auch sehr viel mehr Leute mitgearbeitet als in der Vergangenheit. Dienst&Schulter haben zum Beispiel vier Songs produziert, die ziemlich gitarrenlastig und ein bisschen poppiger sind. Auf einem Song auf dem Album spiele ich auch selbst Gitarre. Aber es gibt auch wieder die klassischen Fatoni/ Dexter Songs, bei denen ich für den Text und den Rap verantwortlich bin und er für die Musik und die Produktion.
Dienst&Schulter sind hauptsächlich für den Goldroger Sound bekannt. Außerdem haben die das neue Yassin Album produziert. Wie kam es zu der Zusammenarbeit?
Yassin und ich haben uns bei denen tatsächlich einige Male die Klinke in die Hand gegeben. Den Goldroger Sound liebe ich sehr. Ich hatte eh schon länger den Wunsch, mal mehr Gitarren auf dem Album zu haben. Dafür ist Moritz von Dienst&Schulter einfach der perfekte Kandidat. Er kann Songs nicht nur auf der Gitarre schreiben und spielen, sondern das auch gleich ausproduzieren.
Wer ist sonst noch dabei?
Auf dem Song mit Max Herre singt Mola die Hook. Außerdem gibt es noch einen Song mit Deichkind und Roger Rekless, einen mit Tristan Brusch und einen mit Danger Dan.
Fotos Stephie Braun
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